Willkommen in der kalten Hölle.

Auswertung zum Ausbleiben des antifaschistischen heißen Herbstes

0. Einleitung

Wie viele andere Gruppen auch, hatten wir im letzten Jahr die Hoffnung, dass an der vom Staat getragenen Sorge vor einem „heißen Herbst“ etwas Wahres dran ist. Getrieben von der Wunschvorstellung, dass in dem Land der Stiefellecker tatsächlich eine beachtliche Menge an Menschen ihre Wut mal in einer richtigen Art und Weise entlädt, haben wir, gemeinsam mit der Basisdemokratischen Linken, Ende Gelände, FAU und der SoliKüche angefangen, einen Teilfokus auf Basisarbeit zu legen. Unser Ziel war es dabei, sich in dem erhofften Bewegungsmoment eine entsprechende Position erarbeitet zu haben, um eben diese Bewegung radikalisieren zu können.

Offensichtlich handelte es sich dabei um eine Illusion: Objektiv gab es zwar eindeutig den Grund noch wütender zu sein, als die Jahre davor. Die letzten Jahrzehnte Ideologietheorie sollten uns eigentlich gelehrt haben, dass das nicht zwangsläufig auch subjektiv passieren muss. Besonders fällt auf, dass sich die Wut nicht in einem emanzipatorischen Rahmen entlädt, sondern faschistische Kräfte stärkt. Auf diese Ereignisse fokussieren wir uns in diesem Text jedoch nicht, sondern wir wollen vielmehr kurz darlegen, welche theoretischen Fehler wir gemacht haben, welche Strukturen unserer Meinung nach hauptsächlich dazu beigetragen haben, warum der heiße Herbst gesamtgesellschaftlich ausblieb und welche Denkanstöße sich für eine Strategiedebatte daraus ergeben. Dieser Text ist keine Auswertung unserer direkten Praxis.

1. short recap

Vergleicht man die aktuellen gesellschaftlichen Reaktionen mit den Reaktionen vor 50 Jahren, fällt eindeutig auf, dass die linken Kräfte eine Lethargie gepackt hat. Die konkreten Punkte, an denen das deutlich wird, wurden an anderer Stelle schon viel besser benannt. Für uns relevant ist lediglich die Frage, welche Strukturen sich konkret gewandelt haben, wie wir das einordnen und welche (auch realpolitischen) Kämpfe sich dadurch für uns ergeben, damit in Zukunft ein heißer (roter) Herbst möglich wird.

Auslöser des gesellschaftlichen Wandels weg vom Fordismus, welcher bis zu den 1970ern dominant war, war eine Verwertungs- und Reproduktionskrise des Kapitals. Um diese Krise zu überwinden, erkämpfte sich das Kapital mehrere Veränderungen. Zwei davon sind für die aktuelle Debatte unserer Meinung nach am wichtigsten:

1. Während der Fordismus sich noch auszeichnete durch starke Gewerkschaften und sozialdemokratische Organisationen (die dem Kapital teilweise zwar Profitverluste erbrachten, im Ganzen jedoch eine integrierte Arbeiterschaft brachten), konnte der Post-Fordismus dieses sich nicht mehr leisten. Um den Profit weiter zu steigern, brauchte es mehr Privatisierungen der öffentlichen Güter, Zerschlagungen der proletarischen und sozialdemokratischen Strukturen und noch mehr Objekte mussten der Wertform unterworfen werden. Diese Vorgänge liefen natürlich nicht ohne Widerstand ab, jedoch konnten Staat und Kapital die Kämpfe für sich gewinnen. Zusammen mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion zehn Jahre später wurden somit alle (auch die vermeintlich) oppositionellen Strukturen mit gesellschaftlicher Wirkmacht vollends integriert oder zerstört.

2. Die weitreichende Inwertsetzung macht auch nicht vor den Menschen halt: Besitzer:in der Ware Arbeitskraft zu sein bedeutete jetzt nicht nur, diese stumpfe Arbeit immer weiter zu machen. Unterstützt von sich ausbreitender und fortschreitender Technologie1 und allgegenwärtiger Beschallung mit ideologischen Anrufungen, wird jetzt das gesamte Leben den räudigen Verhältnissen unterworfen: Freizeit außerhalb der Verwertung existiert nicht mehr, Emotionalität ist jetzt ebenfalls Bestandteil des Arbeitsverhältnisses (nicht, dass in den hippen Start-Ups der Chef noch Wut abbekommt, denn da sind alle eine Familie und lieben sich). Das Fehlen einer Opposition auf gesellschaftlicher Ebene hat somit auch ein subjektives Pendant: Die Fundamentalopposition wird zunehmend undenkbarer.2

Auch der Weltmarkt wandelte sich jedoch zunehmend: Die aufstrebende Logistik ermöglichte es dem Kapital, international weitaus mobiler zu agieren, als es dies den Arbeitenden möglich wäre. So schaffte die Globalisierung einen schnellen Transfer der Waren, während die nationale Ordnung weiter aufrecht erhalten blieb. Das stärkte die Macht des Kapitals auf mehrere Arten: Erstens wurden so die nationalen Arbeiterschaften gegeneinander ausgespielt, was ein effektives Mittel zum Drücken der Reallöhne ist. Zweitens konnten so auch unterschiedliche gesellschaftliche Standards genutzt werden, je nachdem, welcher gerade für die eigene Produktion am sinnvollsten ist. Drittens ermöglicht bessere Logistik logischerweise auch eine höhere Geschwindigkeit der Produktion.

Wichtig bei dieser Entwicklung ist, dass dadurch der einzelne Nationalstaat an Kontrolle über die Gesetze des Weltmarkts verliert, zeitgleich jedoch der einzige „Ansprechpartner“ für alle staatstreuen Arbeiter:innen bleibt. Das Ticket zum Weltmarkt, mit dem es für die meisten zwar nur ein miserables Leben, aber wenigstens überhaupt ein Leben gibt, wurde der Nationalstaat. Kein Wunder also, dass in Zeiten der Globalisierung die Anzahl an Nationalstaaten stark zugenommen hat3.

Hier liegt also die materielle Grundlage für einen zunehmenden Bezug auf den „eigenen“ Staat (und der entsprechenden Nation). Dieser folgt nicht einfach nur aus der Schwäche der (kommunistischen) Linken, sondern hat strukturelle Ursachen. In diesen Zeiten eine antinationale Perspektive zu geben, ist damit nicht unmöglich, aber zumindest deutlich erschwert.

2. Die Lage vor dem (fehlenden) heißen Herbst

Die beiden wichtigsten Elemente aus dem zuvor genannten Punkt lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Seit den 1970ern gab es eine immer weiter zunehmende Auflösung selbstorganisierter Strukturen, aber auch von Strukturen der „traditionellen Linken“, während zeitgleich der Weltmarkt zunehmend an Relevanz gewinnt. Beide Tendenzen befeuern die Hoffnung in den Staat als politischen Akteur, während dieser jedoch aufgrund der Verselbstständigung des Weltmarkts immer machtloser wird. Endgültiges Resultat ist lediglich blanker Nationalismus, der umso wahnhafter wird, je wirkungsloser der angebettelte Akteur (der Nationalstaat) ist.

Wie äußerte sich das in der damaligen Krise? Als Ursachen der Inflation können unter anderem die Corona-Krise und der Ukraine-Krieg benannt werden.4 Die ökonomischen Wirkungen beider Krisen liegen außerhalb des nationalstaatlichen Rahmens und können nicht einfach von einem Staat gelöst werden. Die einzige Möglichkeit, diese Wirkungen abzuschwächen, ist das Abwälzen der Krisenkosten auf ärmere Staaten, wie es Deutschland so häufig schon gemacht hat.

Dieser Stellung war sich der deutsche Staat bewusst und hat sie entsprechend seiner Interessen auch genutzt: Auf der einen Seite wurden im Rahmen der Europäischen Union und darüber hinaus die eigenen Kapitalinteressen durchgesetzt, um im internationalen Rahmen die meisten Profite abzuzwacken. Auf der anderen Seite hat der deutsche Staat sich nach innen (wie sonst auch immer) perfekt als ideeller Gesamtkapitalist verhalten: Die einzelnen, teilweise auch sehr rigorosen Eingriffe in die Wirtschaft wurden stets so gehalten, dass sie der Gesamtwirtschaft am meisten nützen. Dass dabei auch Enteignungen möglich waren, ist allerdings nicht wirklich ein Grund zum Feiern: Es ist eher Ausdruck davon, dass der deutsche Staat es sich leisten kann, so rigoros einzugreifen und tendenziell ein Anzeichen dafür, dass der Staat die Wirtschaft autoritär wandelt.

Auch auf ideologischer Ebene hat der Staat sein Bestes gegeben, sich selbst als den Krisenlöser darzustellen: Mit immer wieder kleinen Hilfspaketen, die im Anblick der Inflationsrate komplett verpuffen, hat er die materielle Grundlage geschaffen, ihm als Akteur zu vertrauen. Er ist jedoch nicht alleine dafür schuldig, dass die Reaktion auf die Krise gehemmt wurde: Die Gewerkschaftsspitzen haben mit der konzertierten Aktion ebenfalls stark dazu beigetragen, dass der Gegenprotest schon verhindert wurde, bevor er überhaupt losging.

Neben diesen über die Jahre schon klassisch gewordenen Strategien des Staates, gesellte sich jedoch noch ein weiterer starker Faktor: Der Ukraine-Krieg. Wir wollen an dieser Stelle keine Bewertung von kommunistischen Strategien im Umgang mit dem Krieg debattieren. Fakt ist jedoch, dass der Krieg in der Ukraine als Vorwand genutzt wurde, um auch in Deutschland bestehende Krisen zu verschleiern – mit dem Verweis auf einen Feind außerhalb und gegen die eigene Nation. Für uns ist klar, dass mit solchen Narrativen niemals irgendwas Progressives gewonnen werden wird.

Die Betrachtung der aktuellen Situation zeigt also wieder einmal: Wir agieren als radikale Linke in einer Gesellschaft voller entpolitisierter Subjekte, die zeitgleich durchgängig von staatlichen und nationalistischen Ideologien angerufen werden, während wirksame oppositionelle Strukturen schwinden.

Bei all dem Pessimismus bleibt jedoch die Erkenntnis, dass die kommunistische Revolution weiterhin notwendig ist. Auch ohne wirtschaftliche Krise ist die Liste der Gründe dafür lang, denn auch der Normalzustand sorgt tagtäglich für Elend, Armut und Gewalt. Er bringt menschenverachtende Ideologien hervor und lässt die Aussicht darauf schwinden, in naher Zukunft überhaupt noch auf einem lebenswerten Planeten zu leben. Deswegen muss die Antwort auf das Ausbleiben der Revolte nicht die Resignation, sondern die Formulierung und Debatte neuer Strategien sein, die fehlende oppositionelle Strukturen aufbauen und sich in der Gesellschaft verankern, wobei die (Maximal-) Kritik, mit all ihrer Negativität und Dekonstruktivität, möglichst beibehalten werden muss. Diese Strategien lassen sich nicht am Reißbrett entwerfen und wir sind auch nicht die ersten, die diesen Missstand entdecken. Eine Lösung auf diese Leerstelle scheint für viele derzeit in der Methodik des Organizens und der Basisarbeit zu liegen. Auch wir haben erste Schritte in diese Richtung unternommen, als Teil einer Suchbewegung nach sinnvollen Praxismöglichkeiten, welche sich selbst theoretisch reflektiert.

3. Unsere Strategie

3.1 Vorab: Fehleinschätzungen

Ursprünglich war das Ziel unserer Basisarbeit der Aufbau einer Bewegung. Grundlage unserer optimistischen Hoffnung, dass eine Gegenbewegung entstehen würde, waren – neben dem allgemeinen Hype innerhalb der radikalen Linken – einige theoretische Fehlannahmen.

Zuerst haben wir richtigerweise angenommen, die Inflation wurde ausgelöst durch die Corona-Krise und den Krieg in der Ukraine, beziehungsweise durch die Verknappungen, die durch diese außerökonomischen Krisen herbeigeführt wurden. Diese Krisen sind jedoch in eine seit Jahren andauernde Akkumulationskrise des Neoliberalismus gefallen, die besonders seit der Finanzkrise 2008 unübersehbar ist.

Unserem damaligen Inflationsverständnis nach, tritt Inflation dann auf, wenn das Geld „entwertet“ wird, also im Verhältnis zu sich selbst an Wert verliert. Die damals stattfindende Inflation war für uns ein Zeichen davon, dass die oben genannten außerökonomischen Krisen den Kapitalismus in die nächste Krise gestürzt haben und dementsprechend das Geld zu sich selbst an Wert verliert. (Starke) Inflation war für uns folglich ein Anzeichen für kapitalistische Krisen. Nach internen Debatten haben wir jedoch diese Inflationstheorie (zumindest für diesen aktuellen Fall) verworfen.

Im Gegenteil wurde die Inflation ganz klar ausgelöst von der „Seite der Waren“5 und nicht durch Veränderungen im Geldsystem. Damit ist gemeint, dass die Krisen eine tatsächliche Verknappung der Warenproduktion in bestimmten Sektoren herbeigeführt haben. Die explosive Änderung des Preises dieser Waren ist jedoch auf Mechanismen im Finanzsektor zurückzuführen. Insofern bleiben wir bei der These, dass die Corona-Krise und der Ukraine-Krieg nicht alleine die Preissteigerungen rechtfertigen, sondern Mechanismen des Finanzmarktes verantwortlich zu machen sind, unabhängig von der realen Verknappung. Die daraus resultierenden Profite gingen zu Gunsten des Kapitals. Nichtsdestotrotz beruht der aktuelle Kapitalismus auf den Mechanismen des Finanzmarktes und braucht diese zum weiteren Überleben. Der Ursprung dieser Strukturen liegt also nicht in der Gier einzelner, sondern in der Produktionsweise an sich.

Dieser Wandel in unserem Inflationsverständnis hat auch eine praktische Folge: Während im Sommer letzten Jahres unsere Prognose gewesen wäre, die Inflation werde sich verschärfen und über weitere Jahre ziehen, ordnet dieses angepasste Verständnis die Inflation in der damaligen Schärfe als ein eher temporäres Phänomen ein. Dementsprechend blieb weniger Zeit für einen tatsächlichen Aufbau einer Bewegung, die als Reaktion auf die Inflation agieren sollte.

Inwiefern prinzipiell eine marxistische Inflationstheorie überzeugend ist, die davon ausgeht, dass das „Geld im Vergleich zu sich selbst an Wert verliert“6 ist für uns noch unklar. Zeitgleich ist das eben die Vorstellung, die in der Gesellschaft am weitesten verbreitet ist: In der populärsten Form beruft sich diese Vorstellung auf die Quantitätsgleichung. Grob gesagt behauptet diese, dass der Wert des Geldes sinkt, wenn mehr Geld im Umlauf ist, sofern die Menge an Waren konstant bleibt. Oder anders gesagt: Wenn Geld gedruckt wird, ohne dass mehr Waren im Umlauf sind, würde der Wert des Geldes sinken. Diese Aussage ist jedoch schon längst empirisch und theoretisch widerlegt und mit einer marxistischen Theorie auch nicht vereinbar.7.

3.2 Weitere Ansätze für eine Strategiebestimmung

Unsere ursprüngliche Strategie lässt sich relativ einfach zusammenfassen: In der Hoffnung einer Revolte, die sich organisch ergibt, wollten wir möglichst früh anfangen, uns zu verankern, und zusammen mit anderen radikalen Linken organischer Teil der Bewegung werden und diese radikalisieren. Diese Bewegung ist ausgeblieben. Das Ergebnis unserer bisherigen Debatten lässt sich komprimiert in folgenden Thesen darstellen:

1. Hauptsächlicher Grund, warum die Bewegung ausblieb, war das Fehlen einer staatskritischen Opposition und eine starke staatstreue Ideologie, der auch einige Linke unterliegen. Materiell hat diese Ideologie ihre Grundlage in dem tatsächlichen Fehlen der Opposition und der Stärke des Staats. Es braucht in allen Bereichen eine Vermittlung der Notwendigkeit von Staatsfeindschaft. Neben dieser staatstreuen Ideologie stützen auch noch weitere Ideologien sehr wirksam die aktuelle Herrschaft, beispielsweise die klassische bürgerliche Ideologie der protestantischen Arbeitsethik in Bezug auf die Lohnarbeit8. Eine wirksame Opposition muss sich auch dieser Auswüchse kapitalistischer Ideologien entgegenstellen.

2. Die fehlende Opposition baut sich nicht von selbst wieder auf. Insofern war es der richtige Schritt vieler Linke, sich weiter mit Basisarbeit zu beschäftigen oder damit anzufangen. Die Krise bot vielen Linken nämlich auch die Möglichkeit, sich ernsthaft mit der Thematik auseinanderzusetzen und Nähe zu Basiskämpfen zu suchen. Auch ein Wiederaufleben der Debatte um Gewerkschaften, welche an schon bestehende Debattenstände anknüpft, begrüßen wir sehr. Gerade für nicht-monothematische, linksradikale Organisationen fehlt es unserer Meinung nach noch an einem guten Konzept, wie die Arbeit in diesen Kämpfen aussehen kann.

3. Mobilizing beruht entweder darauf, dass es schon eine große Menge an Individuen gibt, die politisiert wurden, oder dass das jeweils aktuelle Thema spektakulär oder populär genug ist, um entsprechend viele Personen zu mobilisieren. Beides ist für Sozialproteste in Deutschland aktuell nicht gegeben. Der Vorteil der Basisarbeit liegt darin, die Politisierung selbstständig anstoßen zu können. Außerdem ermöglicht die Basisarbeit das selbstständige Wählen der Zielgruppe und kann folglich gesellschaftliche Gruppen ansprechen und politisieren, die von den Mobilizing-Aktionen nicht erreicht werden würden. Folglich wäre der Rückgriff auf reines Mobilizing falsch.

4. Basisarbeit, in den aktuellen Formen, geht immer mit einer gewissen Entschärfung der eigenen Position einher9. Es braucht jedoch Akteur:innen, die die radikale Kritik erhalten und verbreiten. Das Erhalten und Stärken dieser Akteur:innen wird durch politische Arbeit in bestehenden Bewegungen besser erreicht. Grund dafür ist, dass einerseits in den Bewegungen eine größere Menge an Aktivist:innen ist, die schon notwendige Fähigkeiten der Selbstorganisierung mitbringen und dementsprechend leichter in linksradikalen Zusammenhängen weitergebildet werden können. Andererseits bieten bestehende Bewegungen aufgrund ihrer Größe auch einen größeren Resonanzboden für marxistische Theorien. Wie in These drei schon angedeutet, gelangt die Bewegungsarbeit jedoch auch in ihre Schranken, weswegen die Kooperation von Basis- und Bewegungsarbeit notwendig wäre10. In Göttingen wurde es den aktiven Gruppen dank der Zusammenarbeit verschiedenster linksradikaler Akteur:innen ermöglicht, eben dieser Form der Arbeit nachzugehen.

5. Es fehlen Maßstäbe für linksradikalen Erfolg. Das Messen an der Größe der Organisation verfällt in reinen Voluntarismus, das Messen in inhaltlicher Schärfe schnell in Idealismus oder Attentismus11. Was kann Erfolg also bedeuten vor dem Hintergrund, dass die Revolution weder durch reines Abwarten noch durch besonders viel Anstrengung und Disziplin entstehen kann?

1 Bevor das hier reingelesen wird: Wir sind Fans von Technologie, aber nicht vom Kapitalverhältnis.

2 Dieser Prozess hat aber auch schon vorher begonnen und auch die Gewerkschaften haben einen Teil dazu beigetragen. Für eine genauere Analyse haben andere schon weitaus bessere Texte geschrieben, bspw. Marcuse – Eindimensionaler Mensch.

3 Thorsten Mense: Kritik des Nationalismus

4 Auch hier lassen sich noch weitere Ursachen aufzählen, unter anderem sorgt auch die Klimakrise für stetig steigende Preise. Aufgrund des begrenzten Platzes fokussieren wir uns jedoch auf diese beiden Ursachen.

5 Der Ausdruck stammt von einem Vortrag von Ernst Lohoff zur Analyse der aktuellen Inflation: https://www.youtube.com/watch?v=f_1-e3C7rdw

6 Diese Aussage vertreten unter anderem die Genoss:innen der Gruppen gegen Kapital und Nation, auch wenn sie keine Anhänger:innen der Quantitätsgleichung sind. Dennoch bleibt für uns unklar, wie eine solche marxistische Inflationstheorie aussehen könnte, die dabei nicht die Fehler der Quantitätsgleichung wiederholt.

7 Zur Kritik der Quantitätsgleichung: https://www.youtube.com/watch?v=JqeEHQXoBRk

8 Anders lässt sich unserer Meinung nach schlecht erklären, wieso der Großteil der Menschen in der BRD eine 4-Tage-Woche ablehnen zu Gunsten des Kapitals: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/forsa-umfrage-mehrheit-der-deutschen-lehnt-vier-tage-woche-ab-9713789.html

9 Gemeint sind hier die nach außen getragenen Standpunkte der aktiven Gruppen, nicht zwangsläufig die Einstellungen der aktiven Personen. Inwiefern Basisarbeit mit fundamentaloppositionellen Standpunkten möglich wäre, ist für uns noch unklar.

10 Ein weiterer Vorteil der Mischung beider Taktiken besteht darin, dass sowohl in der Basisarbeit, als auch in der Bewegungsarbeit Fähigkeiten erlernt werden, die für die kommunistische Arbeit prinzipiell hilfreich sind.

11 Attentismus beschreibt die Einstellung, dass Kommunist:innen die nicht-revolutionären Zeiten lediglich absitzen müssen, bis die revolutionären Zeiten kommen. In der Phase der Überwinterung ist es dann die Hauptaufgabe, geduldig die marxistische Theorie zu erhalten. Der Voluntarismus hingegen behauptet, dass die Revolution stattfindet, sobald sich genügend Kommunist:innen diszipliniert und leistungsstark organisieren. Wir lehnen offensichtlich beide Strömungen ab und orientieren uns eher an der Kairós-Theorie. Grob skizziert sagt die, dass es für Revolutionen zwar Gelegenheiten braucht, diese jedoch aktiv ergriffen werden müssen und in der Zeit, die keine Gelegenheit dafür bietet, aktive Vorbereitungen betrieben werden müssen. Siehe dafür: Neupert-Doppler – Die Gelegenheit ergreifen. Auch diese offene Frage stammt von einem Workshop von Alexander Neupert-Doppler.

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