Redebeitrag zum Trans Day of Remembrance 2023

Wir wollen in diesem Redebeitrag Transizide als Morde an trans Personen in Mechanismen der femizidalen Logik einordnen. Femizide sind Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechts. Die Misogynie die hinter den Taten erkennen wir auch in Morden an trans Personen wieder. Wir wollen jedoch spezifischer die Logik von Queerfeindlichkeit herausstellen. So kann der Begriff des Transfemizids als besondere Form des Femi(ni)zids an trans Frauen benutzt werden. Für Morde an transgeschlechtlichen Personen allgemein gibt es Begriff des Transzids, der dann Morde sowohl an trans Frauen, als auch an trans Männern und nichtbinären Personen aus transfeindlichen Gründen umfasst.

Zwischen 1. Oktober 2022 und 30. September 2023 wurden weltweit 320 Morde an trans und geschlechtsdiversen Personen registriert.
Solche Gewalttaten sind keine Einzelfälle, sondern Ausdruck eines Systems: des kapitalistischen Patriarchats. Dessen Grundlage ist die Trennung in Produktion und Reproduktion: Während Tätigkeiten, aus denen sich Profit generieren lässt, entlohnt werden, werden Tätigkeiten, die sich nicht oder nur bedingt profitabel gestalten lassen, aber notwendig für die Wiederherstellung der Arbeitskraft sind (etwa Sorge- und Hausarbeit), in den Reproduktionsbereich abgespalten. Sie werden schlecht oder nicht bezahlt, überwiegend von Frauen erledigt und sind dem Produktionsbereich untergeordnet. Sexistische Ideologien legitimieren diese hierarchische Arbeitsteilung. Sie teilen Menschen in Männer und Frauen ein und schreiben die für Reproduktionsarbeit notwendigen Eigenschaften Frauen zu, die diesen qua Natur zukämen. Eine binäre Geschlechterordnung erscheint damit als naturgegeben.
Da queere und trans Identitäten der Beweis dafür sind, dass die Sache mit dem eindeutigen Geschlecht, das Menschen angeblich seit Geburt haben, garnicht so einfach ist, müssen sie gesellschaftlich sanktioniert werden, um patriarchale Strukturen aufrecht zu erhalten. Zudem müssen sich Menschen selbst eine Menge Gewalt antun, um eine eindeutige Geschlechtsidentität anzunehmen. Jungen und Männer müssen etwa Charaktereigenschaften von sich abspalten, die ihnen als nicht männlich erscheinen. Wenn queere Personen nun die Möglichkeit aufzeigen, anders mit gesellschaftlichen Anforderungen umzugehen und sich weniger den Normen zu beugen, erinnert dies an diesen Schmerz. Da dieser aber verdrängt werden muss, entlädt sich dieser psychische Konflikt in Agression gegen queere Personen, also gegen diejenigen, die das verkörpern, was die Gewaltausübenden von sich selbst abspalten mussten. Somit werden dann queere Ausdrucksweisen, Begehren und Identitäten sanktioniert, und die vorherrschende heteronormative und zweigeschlechtliche patriarchale Ordnung aufrecht erhalten.

Ein Großteil der transfeindlichen Gewalt (nämlich 94%der registrierten Morde) richtet sich dabei gegen trans Frauen und transfeminine Personen.
Trans Frauen werden ebenso wie cis Frauen in den Bereich der Reproduktion gedrängt, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise. Erst einmal wird von trans Frauen besonders erwartet, weibliche Rollenerwartungen zu erfüllen, da sie unter ständigem Druck stehen, ihr Frau-Sein unter Beweis stellen zu müssen. Gleichzeitig dürfen sie die Rollenerwartungen auch nicht zu sehr erfüllen, da ihnen dann vorgeworgen wird, ein misogynes Klischee darzustellen, was sie mit paradoxen und unlösbaren Anforderungen konfrontiert. Insgesamt werden sie letztlich doch dazu gedrängt, weibliche Rollenerwartungen, und damit auch Reproduktions- und Care-Arbeit, zu übernehmen. Hinzu kommt Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt. Da trans Frauen aber nicht gebärfähig sind, taugen sie auch nicht für die klassischerweise für Frauen vorgesehene Rolle der Hausfrau und Mutter. Sie sind also „gefallene“ Frauen.
Das führt dazu, dass sie Care-Arbeit entweder innerhalb queerer Communities, oder aber in der informellen Ökonomie leisten, etwa in der Prostitution. So fällt etwa auf, dass etwa die Hälfte der ermordeten trans Personen, deren Beruf bekannt war, aus Prekarität in der Prostitution arbeiteten (in Europa sind es sogar 78%). Hier stellt Prostitution ein erhebliches Risiko dar, ermordet zu werden. Sie ist an sich bereits ein patriarchales Gewaltverhältnis, bei dem Männer sich Zugang zu Frauenkörpern erkaufen, die aus ökonomischen Notlagen ihre sexuelle Arbeitskraft verkaufen müssen. Darin vermischt sich dann der patriarchale Besitzanspruch mit dem über Geld vermittelten. Für trans Frauen stellt dies ein besonderes Risiko dar, da Männer, die sie attraktiv finden und mit ihnen Sex haben (wollen) mit einem psychischen Konflikt konfrontiert werden: Denn trans Frauen werden meist nicht als „richtige“ Frauen anerkannt, das Begehren für sie stellt also zugleich die heterosexuelle Identität der Männer in Frage. Auch dieser psychische Konflikt kann sich in Gewalt bis hin zum Mord entladen, mit dem das Objekt, auf das sich das widersprüchliche Begehren richtet, vernichtet wird. Solche Gewalttaten und Morde passieren dabei nicht nur in der Prostitution, sondern auch nach One-Night-Stands, dem Flirt im Club, oder Begegnungen auf offener Straße.

Auch Gewalt gegen trans Männer und nichtbinäre Personen ist Bestandteil des Patriarchats, das neben Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen eben auch auf der Abwertung von queeren Personen beruht.
Trans Männer werden zum einen angegriffen, weil auch sie in den Augen der Gewalttäter die Eindeutigkeit von Geschlecht in Frage stellen und keine „richtigen“ Männer sind.
Hinzu kommt bei Gewalt gegen trans Männer und transmaskuline Personen die Spezifik, dass ihnen vorgeworfen wird, die ihnen zugeschriebene Rolle als Frau verlassen zu haben. Dies wird etwa deutlich bei dem auch medial durch Verfilmungen bekannt gewordenen Mord an Brandon Teena 1993 in den USA. Als die Täter, cis-männliche Bekannte des Opfers, erfuhren, dass er trans war, vergewaltigten sie ihn und ermordeten ihn später, nachdem er die Vergewaltigung bei der Polizei angezeigt hatte. Mit dem Akt der Vergewaltigung verwiesen sie ihn an den Platz, an den er – nach der patriarchalen Logik der Täter – gehörte: Auf den Platz der Frau, das heißt Objekt männlicher sexueller Agression.

Egal ob Morde an cis oder trans Frauen odere an trans Männern, nichtbinären oder anderen queeren Personen: All diese Gewalt folgt der gleichen patriarchalen Logik: Der Einteilung der Menschen in Geschlechter und der Abwertung und Unterdrückung von allen, die nicht der hegemonialen Männlichkeit entsprechen. Gegen diese Gewalt können wir uns nur kollektiv wehren, in gemeinsamen Kämpfen von Frauen und Queers, gegen patriarchale Gewalt und das System, das sie hervorbringt. Sei es heute, sei es in 5 Tagen am Tag gegen patriarchale Gewalt oder an anderen Anlässen. Den Toten zu gedenken heißt kämpfen. Für eine Ende des kapitalistischen Patriarchats, für eine Gesellschaft in der alle ohne Angst verschieden sein können!