Lützerath verteidigen – Klimakommunismus erkämpfen

Eine große Menge Demonstrierender läuft durch die abendliche göttinger Innenstadt. Auf Bannern wird für den Erhalt Lützeraths protestiert und auf die kapitalistische Zerstörung RWEs aufmerksam gemacht.

Folgend unser Redebeitrag auf der Solidaritätsdemonstration zum Erhalt von Lützerath am 11.1.2023 in Göttingen

„[…] Lässt sich der Konflikt vor Ort noch ohne Steinwürfe und Schlagstöcke lösen?“ fragte letztes
Jahr der Spiegel anlässlich der Habeckschen Order zum Abbaggern des Dorfes Lützerath. Was auch
letztes Jahr schon klar war, zeigt sich dieser Tage an den Bildern aus Lützerath: Die Antwort ist
nein. Klimagerechtigkeit wird auf dem Acker erkämpft. Der Lack ist ab. Diese Räumung kostet
euch nicht nur euer grünes Image, sondern die versammelte Wut der Klimabewegung!


Zur grüngewaschenen Abrissparty laden ein: der selbsternannte Klimavizekanzler Robert Habeck
und Mona Neubaur, die sich einst gegen das neue Anti-Versammlungsgesetz in NRW einsetzte, das
sich vor allem gegen Klima-Aktivist:innen richtet. Als Ministerin für Wirtschaft, Industrie,
Klimaschutz und Energie ist sie sich natürlich nicht zu schade, genau dieses Gesetz zur Räumung
von Lützerath einzusetzen. In einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin über
„Energieversorgung und Klimaschutz“ schenken beide dem nächsten Verrat am selbst gesetzten 1,5
Gradziel ein ernstes Lächeln. Lützerath muss weg. Von den angeblichen Retter:innen der Dörfer, die
sich in der Opposition noch gegen die Abbaggerung Lützeraths stellten, zu den Henker:innen des
1,5 Grad Ziels. Auch wenn viele Klimaaktivistinnen Hoffnungen in die sogenannte grüne Partei hegten, so war diese Karriere, doch so absehbar wie die ihres ehemaligen Vorsitzenden Joschka Fischer. Vom Steinewerfenden Sponti, zum Außenminister mit Kriegsambition, zum Lobbyisten für Gas und Öl aus der Diktatur Aserbaidschan. Willkommen bei den Grünen.

Heißt das nun, dass die Grünen uns einfach verraten haben? Mit Sicherheit. Aber auch wenn sich die neu-grüne Absurdität in den Behauptungen der Herrschenden mal wieder selbst übertrifft, so ist das Problem nicht nur diese Partei, sondern vielmehr die Logik von Parteipolitik und Parlamentarismus an sich. Damit wollen wir die Grünen nicht aus dem Schussfeld linker Kritik nehmen, sondern den Bruch mit ihnen vertiefen. Selbst wenn wir annehmen, dass ein authentisches Interesse am Erhalt Lützeraths und den 1,5-Grad-Ziels bestünde, ist es nicht möglich, in Regierungsverantwortung das Ruder einfach herumzureißen. Der Staat kann weder als Instrument verstanden werden, das es zu erobern gilt, wie Traditionsmarxistinnen unter Rückgriff auf Lenin
vorschlagen, noch lassen sich unter der Herrschaft der globalen kapitalistischen Ökonomie
Maßnahmen vornehmen, die in die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Wirtschaftsstandorts
entscheidend einschneiden würden. So wie es der abrupte Ausstieg aus jeglichen fossilen
Brennstoffen wohl bedeuten würde. Der Staat ist als ideeller Gesamtkapitalist darum bemüht, das
kapitalistische Gesamtinteresse auf bestem Wege durchzusetzen. Schließlich versorgt eine
wachsende Wirtschaft seine Staatsbürgerinnen mit Arbeitsplätzen und ihn mit Steuereinnahmen. Wer im Staat Regierungsverantwortung übernehmen will, muss sich also die Interessen des Kapitals zu eigen machen. Auf Grundlage dieser Basis findet jedes Regierungshandeln statt und jegliche Kompromisse, die die Parteien miteinander schließen.

So auch in der Energiepolitik in Bezug auf die Energiekrise und den Kohleausstieg:

Für den unstillbaren Energiehunger der deutschen Industrien soll nun „kurzfristig“ mehr Kohle abgebaut werden, um den Braunkohleausstieg in ferner Zukunft gleich 8 Jahre näher zu rücken. Was als Antwort auf die Energiekrise verkauft wird, heizt auch die soziale Krise langfristig nur weiter auf – denn wen die Klimakatastrophe als erstes trifft, ist klar. Aber der Standort Deutschland muss um jeden Preis gerettet werden. Planet hin oder her. Denn auch ein Kohleausstieg 2030 würde das 1,5 Grad Ziel nicht einhalten. Davon abgesehen ist der Kohleausstieg von Oben im Grunde nur ein Wechsel von Deutscher Braunkohle zu Gas aus Katar. Mit Gas aus Katar lässt sich die Klimabilanz zwar verbessern, aber eben nur, weil die Emissionen teilweise woanders entstehen. Dafür können sich Habeck und seine Grünen aber gegenseitig auf die Schulter klopfen. In Konsequenz fackelt dann nicht ein grünes, sauberes Deutschland Mensch und Natur ab, sondern ein beliebiger anderer Staat. Dem kann dann die Verantwortung dafür zugeschoben werden, wenn der nächste Landstrich unter Wasser oder ein weiterer Wald in Flammen steht.

In der Organisierung des reibungslosen Ablaufs der Kapitalverwertung bis zum Untergang hat der Staat dabei auch die Rolle, gesellschaftliche Konflikte mittels der parlamentarischen Demokratie zu befrieden und zurückzudrängen. An dieser Befriedung beteiligen sich spätestens seit ihrer ersten Regierungsbeteiligung auch ganz massiv die Grünen als ehemalige Bewegungspartei. So können auch heute immer noch ehemalige Klimaaktivistinnen wie Kathrin Henneberger, die noch vor ein
paar Jahren Pressesprecherin bei Ende Gelände war, Karriere im Bundestag über diese Partei
machen – wenn sie, wie Henneberger gestern im Mittagsmagazin, stets betonen, wie viel die
Grünen doch für den Klimaschutz tun und die Bewegung bitte nicht so viel auf ihnen herumhacken
sollte. Doch wir sollten die Grünen nicht damit davonkommen lassen, sondern den Bruch mit all
jenen vertiefen, die Reigerungsverantwortung in diesem fossilen Drecksladen namens Deutschland
oder irgendeinem anderen Staat übernehmen wollen.


Denn die Ausgestaltung des sogenannten Kohleausstiegs und der fossile LockIn – durch die gerade
geschlossenen Gas-Verträge mit Katar – werden zum Stein auf dem Gaspedal, das uns auf der
Autobahn Richtung Klimakatastrophe jagt. Solange, wie der Kapitalismus Raubbau an Mensch und
Natur betreibt, kann es keine Alternative zu seinem Ende geben. Im Kampf um das Dorf Lützerath
wird der Widerspruch zwischen kapitalistischer Produktion und tatsächlicher Klimagerechtigkeit
aktuell besonders deutlich. Dort soll die Zukunft des Standortes Deutschland gerettet werden und
wird ausgespielt gegen die Einhaltung der 1,5 Grad Grenze. Wir wollen eine Zukunft für alle, keine
Zukunft für Deutschland! Eine Zukunft, die die Bedürfnisse der Menschen und nicht die des
Kapitals in den Vordergrund stellt. Unsere Alternative zu Staat und Kapital besteht in einem
antiautoritären Kommunismus, in dem die Menschen ihre Bedürfnisse auf Augenhöhe miteinander
und im Einklang mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen vermitteln – jenseits der Formen von
Ware, Geld und Kapital, die diese zerstören.


Es ist die Aufgabe all jener, die die Wirklichkeit im Kapitalismus als erdrückend empfinden und den
Abgrund am Horizont sehen, den Bruch zu wagen. Kommt nach Lützerath und lasst uns gemeinsam
die Alternative zur Katastrophe verteidigen!

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