Was wir mit Patriarchat meinen

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Gewalt gegen Frauen passiert nicht etwa zufällig und entsteht nicht im luftleeren Raum. Wir verstehen diese vielmehr als den gewaltvollen Ausdruck einer patriarchal strukturierten Gesellschaft, mit den Femiziden als der extremsten Ausformung. Aber was bezeichnet der Begriff “Patriarchat” überhaupt und wie bestimmt das Patriarchat unser Leben? Im Folgenden skizzieren wir ein paar grundlegende Punkte dazu.

Das Patriarchat strukturiert unsere Gesellschaft, den Staat, die Institutionen und Individuen entlang einer sozial konstruierten Vorstellung von zwei Geschlechtern – “männlich” und “weiblich”. Hierbei wird das “männliche” als durchsetzungsfähiger, rationaler und leistungsorientierter konnotiert, während das „weibliche“ als fürsorglicher und emotionaler definiert und gegenüber der Männlichkeit abgewertet wird. Das bedeutet, dass das Patriarchat einerseits diese beiden sozialen Kategorien und deren Zuschreibungen erschafft. An dieser Stelle wird Funktion der sozialen Zuschreibungen von Geschlecht für die Reproduktion des kapitalistischen Systems deutlich, in dem unbezahlte Reproduktionsarbeit (Kinder gebären, Kindererziehung, Pflege von Familienangehörigen, Emotional Care, Kochen, Putzen, Arbeiter:innen pflegen, sodass diese am folgenden Tag wieder arbeitsfähig sind etc.) von Frauen geleistet wird.

Nur so kann sich das kapitalistische System am Laufen halten. Diese Zuschreibungskategorien entfalten durch ihre allumfassende Präsenz eine ungeheure Wirkmacht, die aufgrund der historischen Gewachsenheit fälscherlicherweise als natürlich gegeben und biologisch begründbar gelten. Auch wenn Geschlecht lediglich sozial konstruiert ist, lässt es sich nicht einfach wieder dekonstruieren, eben weil die Gesellschaft und der Staat sie alltäglich mit Gewalt durchsetzen. Männlichkeit (und damit verbundene Auf- und Abwertung) ist auch keine ahistorische Kategorie: Entsprechend der jeweiligen Gesellschaftsordnung und den jeweiligen Kräfteverhältnissen, ändern sich die Vorstellungen über Geschlecht.

Für die politische Arbeit ist es deswegen wichtig, diese Begriffe weiterhin zu verwenden, um auf diese gesellschaftliche Realität hinzuweisen, mit dem Ziel genau diese zwanghafte Zweigeschlechtlichkeit zu überwinden. Wenn wir also von “männlich” und “weiblich” reden, dann meinen wir diese stets als gewaltvolle gesellschaftliche Realität und nicht als in irgendeiner Art und Weise naturgegebene Kategorien. Die Trennung entlang des Geschlechts vollzieht sich in allen möglichen Sphären der Gesellschaft. So durchdringen und formen sich der Kapitalismus und das Patriarchat gegenseitig, wodurch auch eine vergeschlechtlichte Trennung innerhalb der Struktur des Kapitalismus deutlich wird.

Zudem ordnen sich auch die moralischen Anforderungen und Erwartungen innerhalb der Kultur an die Menschen entlang von Geschlecht und hierarchisiert sie damit. So werden Frauen weiterhin argwöhnisch beäugt, wenn sie sich dagegen entscheiden, Kinder zu bekommen, während Männer gefeiert werden, wenn sie schnellstmöglich die gesamte Erziehungsarbeit auf den Frauen ablassen und sich zurück ins Großraumbüro fliehen. Diese Verhaltensweisen sind keine natürlichen Folgen unterschiedlicher Triebe, denn während das Patriarchat diese Folgen schafft, produziert es auch dauerhaft seine eigene Grundlage: Eben dadurch, dass alle Institutionen sowie die ökonomischen Verhältnisse aus denen sie entstehen – also Schulen, Kitas, Universitäten, Gerichte,… – patriarchal organisiert sind, werden auch die Menschen patriarchal sozialisiert.

So werden Frauen schon von Kindesalter an andere Verhaltensweise beigebracht, als Männern. Damit legitimiert sich das Patriarchat über Generationen hinweg. Die Wirkungssphären des Patriarchats lassen sich also sortieren in die ökonomische, die kulturell-symbolische und die sozialpsychologische Sphäre. Diese Sphären bedingen sich gegenseitig und können nicht getrennt voneinander analysiert werden: So kann zum Beispiel in der kulturell-symbolischen Sphäre das Patriarchat nicht aufgebrochen werden, wenn nicht die ökonomischen Bedingungen der Gesellschaft grundlegend geändert werden. Insofern ist das Patriarchat auch nichts rein gedankliches oder rein materielles, geschweige denn ökonomisches, sondern auf all diesen Ebenen vermittelt: Das Patriarchat besteht sowohl aus den materiellen Strukturen, Institutionen, der Art und Weise, wie der Kapitalismus und der dazugehörige Staat strukturiert sind und erhält sich selber am Leben, eben weil diese materiellen Strukturen ihn immer wieder aufs Neue hervorbringen. Gleichzeitig schafft das Patriarchat jedoch auch gewisse Vorstellungen und Verhaltensweisen, die, aufgrund seiner Allgegenwart, als natürlich verklärt werden und die damit eine Ideologie bilden, die die herrschenden Verhältnisse stützt.

Die Grundlage dieses Texte s ist ein Kapitel aus unserer Broschüre “Keine Mehr! Über Femizide und das Ende des kapitalistischen Patriarchats” was hier gekürzt wiedergegeben wird.

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