Gesundheit

redical Times #5 plus Hintergrund 1 & 2_Seite_01Hier findet ihr das PDF der Redical Times zum Thema Gesundheit (Dezember 2012): Diagnose: Kapitalismus. Unten ist der Leitartikel der Ausgabe zu lesen.

 

Sozialstaat – sozial? unsozial?

Nach dem wir die historische Abfolge zur Entwicklung zum Sozialstaat deutscher Prägung bis zu den 1970ern
dargestellt haben, wollen wir in diesem Artikel eine genauere
Bestimmung des kapitalistischen Sozialstaats
und seiner ideologischen Wendung im Rahmen der Agenda
2010 unter Rot-Grün vornehmen. Der Sozialstaat
als
Ergebnis sozialer Kämpfe und der darauf reagierenden
politischen Strukturanpassungen, ist unmittelbar auch
von seinen zur Verfügung stehenden Geldmitteln abhängig.
So wird im Angesicht der schwindenden Geburtenzahlen
– und damit potentieller
LohnarbeiterInnen
– gar ein Niedergang der Deutschen herbei phantasiert.
Dabei stehe die Gesellschaft vor allem vor dem Problem,
ihre Sozialleistungen anpassen zu müssen. Denn „die
Renden sin sischa“ (Norbert Blüm), war schon in den
1990ern eine durchschaubare Lüge und betraf nicht nur
das Rentensystem. Was hat sich jedoch verändert, dass
ein Anpassungsdruck auf die Sozialsysteme stattgefunden
hat und vor allem, ist der Sozialstaat zu retten und
sollten Linke das wollen?

Keynes ist tot, es lebe Keynes?

Die nachfrageorientierte Politik der Massenproduktion
und -konsumtion und ihre fiskal- und geldpolitischen
Steuerungsmöglichkeiten waren spätestens Anfang
der 1970er am Ende. Die Staatsausgaben weiterhin zu
erhöhen und gezielte Investitionen einzuleiten, hat
nicht mehr zu einer Erholung des Weltmarkts bzw. zu
steigendem Wachstum geführt. In den 1980ern unter
Reagan und in England unter Thatcher sollte eine neue
– die neoliberale – Idee ihre politische Tragfähigkeit
das erste Mal praktisch beweisen dürfen. Der Arbeitsmarkt
wurde reformiert und soziale Errungenschaften
gestrichen oder massiv zusammengekürzt. Die Proteste
in England waren zwar heftig, aber sie konnten
Thatcher auch nicht aufhalten. Außerdem griffen die
Reformen, so dass die Mehrheit die „TINA“-Politik (TINA
= There Is No Alternative) befürwortete. Vor allem die
„Computerisierung“ der Produktion brachte einen neuen
Boom in diesem Industriezweig, so dass von einer neuen
Gründerphase geredet wurde.
Durch die – von der strukturellen Überakkumulation
hervorgebrachten – Flucht von Kapital in die Zirkulationssphäre
konnte die Rezession hinausgeschoben und
die massive Vermehrung von fiktivem Kapital vorgenommen
werden. Die Spekulationsblasen in den 90ern
und 2000ern (Japankrise, Dotcom-Blase usw.) waren das
Resultat ständig wachsender Eigentumstitel und damit
Spekulationen auf noch nicht realisierte Wertproduktion.
In diesem Kontext wurde die Rolle des Staates vermeintlich
neu bestimmt. Der Staat solle sich aus allen
Marktangelegenheiten heraus halten, so der neoliberale
Konsens. Jede Einmischung führe zu externen Effekten,
die den Markt destabilisieren. Der Glaube an den Markt
in Form des Neoliberalismus hatte sich Stück für Stück
die Hegemonie im volkswirtschaftlichen Meinungsspektrum
erobert. Jedoch hatte sich der Staat nicht zurückgezogen,
sondern wurde ganz im Gegenteil höchst aktiv
in der Zuführung von vernutzbarem Menschenmaterial
für den Markt. Mit der Idee, jeden Lebensbereich für den
Kapitalismus flexibel, mobil und effizient herzurichten,
trat diese Ideologie an, sich für die so genannte Globalisierung
und den steigenden Konkurrenzdruck auf dem
Weltmarkt zu rüsten. Wer jedoch den Neoliberalismus
als das pure Böse stigmatisiert, hat nicht verstanden,
warum dieser inzwischen zwar wieder laut kritisiert
wird, aber seine Alternativlosigkeit trotzdem behaupten
kann und sich in vielen Feldern sogar weiterhin ausbreitet.
Gerade in Bereichen der Sozialpolitik und dem Sozialwesen
z.B. im Gesundheitswesen kann dieses verdeutlicht
werden.
Der Widerspruch zwischen Kapital
und Arbeit sowie der stofflichen
Seite der Produktion
aufgrund der steigenden Produktivkräfte
und dem Verwertungsprozess
andererseits ist
zumeist nicht Bestandteil des
Wissens der heutigen
sozialen oder antikapi …