Feminismus

run the world

Aspekte eines materialistischen Feminismus

Introduction

Feminismus scheint auch außerhalb der feministischen Gruppen in der deutschen Linken wieder ein Thema zu sein. Besonders rund um den 8. März – den internationalen Frauenkampftag – wurde dies offensichtlich. Die Benennung globaler Frauenkämpfe und Rechte, sowie queerfeministische Kämpfe und Themen waren zentrale Aspekte zum 8. März in Deutschland. Es wurden sich Räume genommen, z.B. in Form von nicht angemeldeten Demonstrationen wie in Göttingen, und zahlreiche Veranstaltungen durchgeführt. Die Themen waren so vielfältig und unterschiedlich wie die Motivation der Aktivist*innen. Von Forderungen sich patriarchalen Herrschafts- und Gewaltverhältnissen, sowie der heteronormativen Geschlechtermatrix entgegenzustellen bis zur Thematisierung globaler Ausbeutung von Frauen war die komplette Palette feministischer Kämpfe zu vernehmen. Doch so wichtig und richtig die Benennung der Diskriminierung unterschiedlicher Lebens-, Gender- und Sexualformen (Trans, Lesben, Schwule, [fluid-]Gender usw.) ist, fehlt uns an vielen Stellen der Bezug auf die kapitalistische Verfasstheit der Gesellschaften, sowie deren Vermittlungsweisen und Subjektivierungsformen. Ebenfalls muss deutlich herausgestellt werden, aus welcher Perspektive und Sichtweise feministische Positionen und Kämpfe stattfinden. So ist der Kampf der Frauen in Indien gegen männliche Gewalt kaum zu vergleichen mit denen um antisexistische Räume in einer deutschen Universitätsstadt. Beides hat seine Berechtigung und ist unterstützenswert. Die Qualität der Auseinandersetzungen jedoch ist eine gänzlich andere.

Unsere Motivation uns wieder verstärkt mit Feminismus bzw. materialistischem Feminismus auseinanderzusetzen, folgte auf die Diskussionsprozesse unserer Kam­pag­ne „Diagnose Kapitalismus“ (vgl. redical Times – Diagnose Kapitalismus). Bei der Annäherung an Fragen der Gesundheit und Reproduktion der Arbeit, sind wir zum einen auf die Problematik der unterschiedlichen Logiken von Care-Arbeiten (Versorgungs- und Pflegearbeiten) im Verhältnis zu sonstigen kapitalistischen Produktionsverhältnissen gestoßen und zum anderen auf ein latentes Krisenmoment bei der Kommodifizierung von Gesundheitsarbeiten. Dies war für uns ein zentraler Aspekt sich mit Care, Reproduktion und schließlich Feminismus im kapitalistischen Gesamtgefüge zu beschäftigen. Dabei wurde offensichtlich, dass – wie wir noch im Artikel zeigen werden – Marx der Reproduktion, dem Haushalt und der Emanzipation von Frauen lediglich wichtige Schlaglichter beifügen konnte und auch die von Marx inspirierten traditionellen Linken den Kapitalismus und den Klassenkampf fokussierten, während sie die Reproduktion der Gesamtverhältnisse stillschweigend voraussetzten bzw. nicht thematisierten. In diesem Kontext ist auch zu verstehen, warum der Vorwurf des „Nebenwiderspruchdenkens“ in Bezug auf Feminismus bzw. feministische Themen so schnell erhoben wird und auch seine Berechtigung hat. Jedoch muss auch festgehalten werden, dass eine ontologische Sicht auf das Patriarchat keine Möglichkeit hat, die kapitalistische Vergesellschaftung und Dynamiken zu erfassen. Denn Diskurse verändern nicht die Grundkonstitution von Gesellschaften, sondern nur die gesellschaftliche Praxis und ihre Veränderungen in der materiellen Produktion und Reproduktion. Dies mag banal klingen, aber es ist ein zentraler Punkt für Kommunist*innen, die wir nun einmal sind. Wir werden daher in diesem Text versuchen, die einzelnen Aspekte von Care-Arbeiten, Reproduktion, Familie, gesellschaftlich geschlechtsspezifischen Zuschreibungen und Subjektivierungsformen in ein Gesamtverhältnis zur kapitalistischen Vergesellschaftung zu setzen. Dabei ist uns bewusst, dass wir bestimmte Aspekte und Themen vergessen werden oder unterkomplex darstellen. Wir denken aber dennoch, dass wir einige zentrale Punkte setzen können, die bisher zu wenig verhandelt wurden.

Traditionelle Linke und das Patriarchat

Mitnichten ist es so, dass sich die marxistische Linke seit ihrem Bestehen nicht um die Frage der Emanzipation der Frauen gekümmert hätte. Auch bei Marx und vor allem bei Engels in ihren Überlegungen zur Familienstruktur und ihrer Voraussetzung für das Privateigentum lassen sich Momente herausarbeiten, die auch heute noch ihre Gültigkeit behaupten können. Die „Frauenfrage“ war jeher eine grundsätzliche und gleichzeitig marginale. Wie gehen diese zwei Dinge zusammen? Oder anders gesagt: Wie konnte die Unterdrückung der Frau zwar wahrgenommen, aber gleichzeitig unter die Klassenverhältnisse subsumiert werden? So stellt unter anderem der Frühsozialist Fourier Frauenemanzipation und sexuelle Freiheit in einen direkten Bezug zu einer allgemeinen Emanzipation der Menschen. Der frühe Marx setzt die Frau als anthropologisches Wesen und ontologische Kategorie voraus, die im Verhältnis zum Mann steht. Für Marx ist dieses Verhältnis zwischen Natur und menschlichem Wesen jenes, dass sich im Geschlechterverhältnis widerspiegelt und den Gradmesser sozialen Fortschritts kennzeichnet (vgl. Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844, S. 535). Eine andere Perspektive nimmt Marx später ein, wenn er die Spezifik der Struktur der Zeit und der Orte der Verhältnisse der Familie betrachtet. „Es ist überhaupt nicht von „der“ Familie zu sprechen.“ (MEW 3, Die Deutsche Ideologie, S. 165). Marx sieht die Familie in ihrer bourgeoisen heuchlerischen Form nämlich schon im Niedergang und geht sogar soweit, dass im Proletariat die Familie bereits aufgelöst sei. Unter psychoanalytischen Gesichtspunkten ist Marx’ Beziehung zur Familie bestimmt besonders interessant. So freute er sich stets, wenn ein nahes oder entfernteres Familienmitglied den Löffel abgab und ihn aus seiner ständigen finanziellen Misere kurzfristig befreite. Engels hingegen versuchte die Thesen zur Familie in „Der Ursprung der Familie, das Privateigentum und der Staat“ zu systematisieren. Engels stellt dabei heraus, dass das Geschlechterverhältnis der erste Antagonismus innerhalb der Menschheit sei. Als besonders folgenreich für Frauen bestimmt Engels zwei zentrale Aspekte: Zum einen die Manifestation der monogamen Ehe, welche das elementare Unterdrückungsmoment sei, zum anderen die Fixierung der Erbfolge als patrilineare Sicherung der Legitimität der männlichen Nachfolgegeneration. Durch die Monogamie des Patriarchats verliert die Hausarbeit der Frauen ihren öffentlichen Charakter früherer Haushaltungen und wird somit Privatdienst. Oder anders formuliert: Die Frau wird von einer öffentlichen Dienstmagd des Patriarchats zu einer privaten Dienstmagd, wenn sich das Privateigentum entfaltet. Den Grund für die Ausbeutung der Frau durch den Mann sieht Engels in der vermeintlich körperlichen Schwäche der Frau und ihrer Arbeitsfähigkeit. Dass diese Position hanebüchener Blödsinn ist, vor allem weil Frauen immer schwer körperlich schuften mussten, um sich und ihre jeweilige historisch spezifische gesellschaftliche Struktur zu produzieren und reproduzieren, sei hier deutlich herausgestellt. Die Emanzipationsperspektive für Frauen sieht Engels in der Teilhabe der Frauen an der Lohnarbeit. Der Zirkelschluss ist einfach: Wenn die Unfähigkeit zum Arbeiten der Grund für die Ausbeutung der Frauen sei, so wird die Fähigkeit zur Arbeit ihre Befreiung herbeiführen, so die engelssche Perspektive. Zu guter Letzt sei noch festgehalten, dass Engels die untergeordnete Stellung der Frau als ökonomisch bedingt betrachtet und dementsprechend den analytischen Kurzschluss zu verantworten hat, dass sich, wenn sich die gesellschaftlichen Verhältnisse veränderten, zugleich auch die Geschlechterverhältnisse umwälzen würden.

Neben Marx und Engels beschäftigten sich auch andere Theoretiker*innen wie z.B. der Sozialdemokrat August Bebel mit der Frage des Geschlechterverhältnisses und des Sozialismus. Viele Ansichten von Marx und Engels über die Familie hat Bebel geteilt. Er erweiterte jedoch den Grund für die dauerhafte Unterdrückung der Frau durch den Mann. Bebel bestimmte die Funktion des Mutterseins im Rahmen der Monogamie als zentrales Moment patriarchaler Herrschaft. Auch Lenin hat seiner Zeit die Befreiung der Frauen als einen wichtigen Punkt seiner Revolution erkannt und lässt sich auf die einfache Formel bringen: Kein Sozialismus ohne die direkte Partizipation der Frauen! Die bekannten Sozialist*innen und Kommunist*innen der Zeit wie z.B. Clara Zetkin und Rosa Luxemburg verblieben in der Annahme, dass der Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital der zentrale Widerspruch sei, der die „Frauenfrage“ im Klassenkampf aufheben werde. So galt es die marxistische Lesart auf die Frauenemanzipation anzuwenden und zu verbreiten. Die Frauen benötigten nach Zetkin die gleichen politischen Rechte wie Männer, um ohne Gesetzesvorbehalte wie z.B. das Organisationsverbot von Frauen diese Gesellschaftsform in den Staub der Geschichte werfen zu können. Die traditionelle Linie der linken Frauenemanzipation und Kritik orientierte sich neben den 3 Ks (Küche, Kinder, Kirche), an den antikapitalistischen Kämpfen. Man war Frau und Klasse in den Kämpfen gegen die Kapitalisten. Dies ist kurz gesagt das feministische Erbe der traditionellen Linken in Bezug auf Frauenkämpfe und deren theoretische Grundbestimmungen. Der Kampf der Frauenemanzipation war damit unmittelbar an die Fähigkeit geknüpft, Arbeitskräftebehälter sein zu dürfen, um als gesellschaftliches Subjekt wahrgenommen zu werden. Diese Subjektqualität mussten sich Frauen hart erkämpfen.

Produktion und Reproduktion – work, work, work, work, work …

Wann können wir von einer kapitalistischen Produktion ausgehen? Kapitalistische Produktion fängt dann an, wenn sich die Produkte und Produzent*innen dieser Produkte als Waren verkaufen lassen, also wenn die Tauschverhältnisse allumfassend geworden sind und wertbildend produziert wird. Der Wert ist dabei die abstrakteste Kategorie und gleichzeitig das Maß gesellschaftlichen Reichtums. Dieser kann jedoch nicht gesellschaftlich erscheinen oder gemessen werden. Was jedoch als das allgemeingültige Äquivalent erscheint ist das Geld in seinen unterschiedlichen Formen. Der Kern bzw. das A und O des Werts ist die abstrakte Arbeit. Sie setzt die einzelnen Privatproduzent*innen und ihre Produkte in Beziehung und sieht von dem konkreten Arbeitserzeugnis ab. Nur wenn ein Großteil der Menschen Waren produzieren und ihre Arbeitskraft selbst Ware wird, können Tauschende ihre Waren als Werte vergleichbar machen und es kann von kapitalistischer Produktion geredet werden. Die Arbeitnehmer*innen

bzw.

Arbeiter*innen haben nur eine Möglichkeit ihr

Überleben zu sichern, indem sie das Einzige, dass sie zur Verfügung haben, verkaufen: Ihre Arbeitskraft. Auf Grundlage eines Arbeitsvertrages zwischen freien und gleichen Vertragspartner*innen, erscheint es so, als ob die Arbeiter*innen die Arbeit aus freien Stücken annehmen würden. Dabei ist es der unmittelbare Zwang der Verhältnisse, der die Lohnarbeit der allermeisten Menschen einer kapitalistischen Gesellschaft voraussetzt. Der andere Teil der Menschen, die ihre Arbeit nicht zu Markte tragen müssen, weil sie Produktionsmittel (Fabriken, Ländereien, Maschinen usw.) besitzen, sind unter den Begriff Kapitalist*innen zu fassen. Sie kaufen die Arbeit zu einem Preis der notwendigerweise und strukturell niedriger ist als der Wert, den die Arbeiter*in während ihrer Arbeitszeit produziert. Dieser Prozess ist ausbeuterisch und verschafft der Kapitalist*in einen Mehrwert. Doch auch die Kapitalist*in wird von Sachzwängen beherrscht. Entweder sie/er kann sich im Rahmen der Konkurrenz behaupten und somit kontinuierlich auf erweiterter Stufenleiter produzieren und akkumulieren, oder sie/er hört auf Kapitalist*in zu sein und wird Lohnarbeiter*in oder arbeitslos. Um die Höhe des Mehrwerts bzw. die Vergütung der Ware Arbeitskraft wird in Arbeitskämpfen z.B. durch Tarifverhandlungen gestritten. Dieses konfliktreiche und widersprüchliche Verhältnis wurde und wird dabei als Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit verstanden.

Was ist jedoch mit den ganzen Arbeiten, die dieser Bestimmung nicht unterliegen oder – selbst wenn sie warenförmig organisiert werden – nicht kapitalistisch produziert werden können? Welche Arbeiten fallen unter diese Kategorie? Und in welcher Relation steht das Geschlechterverhältnis als Patriarchat zur kapitalistischen Gesellschaft? Wie eingangs erwähnt können wir diese Fragen nur rudimentär verhandeln. Die kapitalistische Produktion ist – wie gezeigt wurde – die Umformung der Natur durch einen historisch spezifischen Arbeitsprozess, der durch den Tauschakt zur Ware wird. Der Lohn für diese Form von Arbeit muss die Arbeiter*innen reproduzieren können. Was heißt das? Die verausgabte Arbeitskraft muss für den nächsten, übernächsten, überübernächsten usw. Tag und die nächsten Generationen wieder hergestellt werden. Das bedeutet, dass Essen, Trinken und die „soziale und kulturelle Reproduktion“, sowie das „historisch moralische Niveau“ (also heutzutage auch Fernsehen, Computer, Kino, Kneipe, Schwimmhallenbesuche, Fitnessstudio, Oper usw.) auf dem jeweiligen gesellschaftlichen Stand der Produktivkräfte sichergestellt werden müssen. In der klassischen bürgerlichen Familie, aber auch in der proletarischen Familie, sofern es ein Einverdiener*innenhaushalt ist, gilt es nicht nur die Arbeitskraft wieder herzustellen, sondern auch die Familie als Ganzes. Darunter fallen aus patriarchaler Sicht „die Ehefrau“, Kinder, sonstige Personen, die im Haushalt leben (Großeltern usw.), und anderweitige Kosten, die im Haushalt oder durch die Familie anfallen. Da staatliche Steuern und Versicherungsbeiträge z.B. Sozial- und Pflegeversicherung schon Abzüge im Rahmen des Lohnverhältnisses darstellen, sind sie nur indirekt Reproduktionskosten. Unmittelbar schlagen aber Ausbildungskosten der Kinder, sowie Sorge und Pflegetätigkeiten im Haushalt zu Buche. Das bedeutet, dass der Lohn eines/r Arbeiter*in unterschiedliche Reproduktionsebenen gewährleisten muss, die auf den ersten Blick gerne vergessen werden. Ohne Reproduktion der Familie kann es in dem Sinne auch keine störungsfreie Gesamtreproduktion der kapitalistischen Verhältnisse geben. Denn wer soll in der nächsten Generation arbeiten gehen, wenn nicht die Kinder der Arbeiter*innen? Dabei manifestierte erst der heftige Kampf um einen „Normalarbeitstag“ und angemessene Löhne die bekannte Ein-Einkommensfamilienstruktur. So richteten sich die Kämpfe gegen Kinder- und Frauenarbeit. Zum einen, weil der Gesundheitszustand der Kinder im Proletariat des 19 Jahrhunderts sich drastisch verschlechterte und somit die zukünftigen Arbeiter*innen fehlten aber zum anderen, weil in der Frauenarbeit, die systematisch miserabel bezahlt wurde, eine Lohnkonkurrenz gegenüber der männlichen Proletarier gesehen wurde. Diese zwei Momente des Arbeitskampfes gilt es zu reflektieren. Die männliche Arbeiterschaft behinderte damit die Frauenemanzipation und ihr selbstgestecktes Ziel, über Partizipation in Form von Arbeit eine Emanzipation der Verhältnisse herbeiführen zu können. Gleichzeitig muss festgehalten werden, dass sich die patriarchale Familienstruktur im Proletariat gar nicht so extrem entwickeln konnte wie im Bürgertum. In der proletarischen Familie mussten Frauen und Männer arbeiten gehen, um die Familie zu ernähren. Hausarbeit galt jedoch trotzdem vor allem als Frauensache. Die Doppelbelastung, die heute als neu oder besonders gilt, war ein Moment, dem sich die proletarische Frau häufig schon gegenübersah. Wieder einmal ist die These zu stützen, dass die Arbeiter*innen eine Revolution für die Lohnarbeit und nicht für ihre Aufhebung im Sinn hatten. Die (Lohn-) Arbeit sollte auch in allen Frauenbewegungen der zentrale Ansatzpunkt zur Partizipation und später Emanzipation nationaler Vergesellschaftung sein.

Das war die perfekte Welle – Die Frauenbewegungen im Wandel

Der Begriff des Patriarchats wird gerne als vorpolitische und natürliche Konstante gesellschaftlicher Verhältnisse gesehen – er wird ontologisiert. Als Herrschaft der Männer über Frauen wird das Patriarchat als eine persönliche Abhängigkeit und Unterwerfung unter eine allumfassende Herrschaft betrachtet, die ihre Legitimität aus Traditionen, Religion, Werten usw. zieht und sich über einen kompletten Haushalt als oikos und nomos (oikos und nomos, griechisch für Haus und Gesetz) realisiert. Der Hausvater und später der älteste Sohn, sofern dieser legitim ist, haben die Gewalt über den Haushalt und damit über die feudale Wirtschaftsgemeinschaft, worunter die Frau, Kinder, (früher auch) Sklaven, Mägde, Knechte usw. fielen (vgl. Weber). Die Frau wurde dabei einfach unter die Wirtschafsgemeinschaft subsumiert. Der Kampf der Frauen, als Subjekte an der Gesellschaft partizipieren zu können und nicht mehr der männlichen sexuellen Verfügungsgewalt zu unterstehen, entwickelte sich aber erst ab dem Ende des 19.Jahrhunderts in den westlichen Industrienationen. So wurde 1918 das Frauenwahlrecht in Deutschland eingeführt. Auch sonst können die 1920er Jahre als progressives Jahrzehnt der Frauenbewegung betrachtet werden. Voraussetzung war auch hier, dass die materiellen Mittel zur Verfügung standen, um die „goldenen 20er“ zu genießen. Im nationalsozialistischen Deutschland waren Frauen als biologische Erbgutträger der „arischen Rasse“ zentraler Bestandteil der Ideologie. Die Mutterschaft war dabei ebenso zentrales Moment, wie die Unterordnung der Frau unter die Befehle der NSDAP und ihrer Frauenorganisationen, sowie die Opferbereitschaft im Zuge des Angriffskrieges. Zum nationalsozialistischen Frauenbild und dessen Funktion für Ideologie und Reproduktion können wir an dieser Stelle nicht weiter eingehen, da Dies den Rahmen des Artikels sprengen würde. Wir möchten jedoch auf das Buch „Die friedfertige Antisemitin – Kritische Theorie über Geschlechterverhältnis und Antisemitismus“ von Ljiljana Radonic verweisen, dass für Interessierte eine vertiefte Lektüre darstellt.

 

Während und nach dem Krieg gegen den nationalsozialistischen Terror Deutschlands waren Frauen z.B. in den USA im Mittelpunkt der wirtschaftlichen Produktion. Sie übernahmen Aufgaben, die bis zum 2. Weltkrieg von Männern geleistet wurden und gründeten auch eigene Sportligen. Kurzum: Sie eigneten sich die öffentliche Sphäre an. Gleichzeitig waren sie für die Sorge und Pflege der zurückkehrenden Soldaten zuständig. In Deutschland überhöhte man die „Trümmerfrau“ ideologisch, die angeblich per se keine Täterin gewesen sein konnte und aus dem vermeintlichen Nichts wieder blühende und prosperierende Städte entstehen ließ. Das Bild des Phoenix aus der Asche aus der Mythologie entspricht dem deutschen Selbstverständnis des Wiederaufbaus der BRD. Als habe es keinen Marshallplan, keine Kredite und sonstigen Aufbauhilfen usw. gegeben wird das „Wirtschaftswunder“ beginnend mit den „Trümmerfrauen“ als eine durchweg eigenständige Leistung verkauft. Gerade der Mutterkult, aber auch die vermeintliche Tatkräftigkeit deutscher Frauen korrespondierte nach dem Krieg mit dem Frauenbild der Nationalsozialist*innen. Gerade in den 1950ern unter Adenauer und im Zuge des beginnenden Kalten Krieges wurde das Patriarchat in Form der bürgerlichen Kleinfamilie gesellschaftlich zum Idyll hochstilisiert und zementierte die geschlechtliche Arbeitsteilung in Produktion und Reproduktion. Jedoch waren Frauen durch das Grundgesetz formaljuristisch gleichgestellt. Der Gehorsamsparagraph der Frauen gegenüber ihren Männern wurde 1959 vom Bundesverfassungsgericht als nichtig betrachtet und auch sonstige Gesetze nahmen juristischen Gleichheitscharakter an.

 

Die Gleichstellung per Gesetz war von den Frauen erkämpft worden, aber die Unterdrückung durch materielle Abhängigkeit, Sexualität und biologischer Zuschreibungen ging unverändert weiter. Zudem hat die bürgerliche Freiheit und Gleichheit schon im Kern einen zerstörenden, ausschließenden und gewaltsamen Ausgangspunkt, dem zusätzlich noch die Potenz innewohnt, sich in eine absolute Regression zu verwandeln.

 

Gegen diese idealtypische und zugleich grausame Realität des familiären Backlashs der 1950er wehrte sich die zweite Welle der Frauenbewegung Ende der 1960er. Die Student*innenrevolten rund um die 1968er Jahre und auch der Widerstand gegen den Vietnamkrieg brachten völlig neue Ansätze und konstituierten die sogenannte zweite Welle der Frauenbewegung. Anfangs sozialistisch orientiert und international ausgerichtet, ging es darum die eigene Situation im Patriarchat des Kapitalismus zu ergründen und dieses international zu bekämpfen, sowie die eigenen moralischen Werte und Normen der bürgerlichen Gesellschaft kritisch zu hinterfragen und den „neuen Menschen“ zu formen. Sexuelle Befreiung, neue Formen der Kindererziehung, des Zusammenlebens, der Kooperation u.v.a. Fragen wurden neben dem sozialistischen Primat der Revolution in den Fokus gerückt. „Das Private ist politisch“ ist eines der zentralen Aspekte der 2. Frauenbewegung und brachte die Erkenntnis, dass der vermeintliche Rückzugsraum der Privatheit aka die Familie ein patriarchales Horrorgebilde ist, welches durchbrochen werden muss. Die Genoss*innen mussten aber auch feststellen, dass der Revolutionär männlichen „neuen Typs“ nicht besonders begeistert war, auch eine Revolution im Privaten zu starten, sondern sich auch hier die Sphärentrennung öffentlich (männlich)/privat (weiblich) fortsetzte. Und auch die sexuelle Befreiung, die mit Parolen wie „Wer einmal mit der gleichen pennt, gehört schon zum Establishment“ begleitet wurde, kam vor allem den männlichen Sexualvorstellungen entgegen und bestimmte die Frauen zur öffentlichen Verfügungsperson. Gegen eine solche Vorstellung formierte sich jedoch massiver Widerstand, unter anderem im SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) von Seiten der Frauen, was zu einer Spaltung führte. In Form der autonomen Frauenbewegung wurde die Suche nach der eigenen Identität als Frau und Subjekt ihrer Sexualität und das Aufbegehren gegen die Objektivierung von Frauen in den Mittelpunkt gestellt. Die unterschiedlichen Kampagnen der Frauenbewegung wie „Mein Bauch gehört mir“ gegen den §218 StGB, der den Schwangerschaftsabbruch unter Strafe stellte, rückten die Autonomie weiblicher Entscheidungen gegenüber der patriarchaler Verhältnisse in den Vordergrund. Der Staat – so die Auffassung- betreibe durch den Paragraphen §218 StGB gezielte Bevölkerungspolitik und nehme den Frauen ihre Autonomie und ihren Subjektstatus. Neben den Aspekten der Geburtenkontrolle, der Autonomie und der Frau als Subjekt wurde die Kinderpädagogik und -erziehung gesellschaftlich neu ausgerichtet. In Selbsthilfegruppen wurde das Subjekt Frau auf allen Ebenen gesucht und die politische Praxis der Separation von Männern erprobt. Je natürlicher das Wesen der Frau als Abstraktum erforscht schien und ausprobiert wurde – in der Sexualität genauso wie in der Produktion – überhöhte sich ihre vermeintliche Natürlichkeit. Die Subjektivierung der Frau als Antinomie des Mannes konnte jedoch nicht lange aufrechterhalten werden: Zu sehr war der disziplinierende Charakter der Lohnarbeit eingeschrieben. Und ebenso die Erfahrung, dass es im Rahmen der bestehenden Verhältnisse kein Jenseits der Wertverwertung geben konnte, auch nicht in feministischen und antikapitalistischen Kommunen. Was bei dem Subjektbegriff der bekannten Feministin Simone de Beauvoirs als „Befreiung aus der Natur“ begann und die Gesellschaftlichkeit der Geschlechterhierarchien zu begründen versuchte, zeigte sich bei der Subjektivierung der Frau Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre als kaum noch transzendentales Moment der Befreiung. Ganz im Gegenteil: Um an den politischen Verhältnissen mitwirken zu können, konstituierte und zementierte „Frau in Bewegung Marke Schwarzer“ die Differenz. Die Betonung von Mann und Frau, sowie rassistische und auch antisemitische Ideologeme gingen wunderbar in der Frauenbewegung auf. Die Internalisierung von bürgerlicher Herrschaft war geglückt und bis auf wenige Feminist*innen wurde auch der kritische Zahn einer Kritik des Patriarchats im Rahmen kapitalistischer Vergesellschaftung gezogen. Die Differenz und das Einfordern von Quoten und Gleichheit in der Repräsentation haben sich bis zur heutigen Zeit durchgesetzt und äußern sich national bzw. supranational. Deutsche, weiße und zum großen Teil gut gebildete Frauen kümmern sich um die Repräsentation der vermeintlich als weiblich bzw. heute als Gender verstandenen Bereiche an Universitäten, im Parlament oder sonstigen Diversitybereichen der Produktion. Die Frage, die an der Stelle jedoch auf dem Plan steht, ist folgende: Welchem kritischen Impuls, welcher subversiven oder revolutionären Strategie folgt ein Konzept, dass die Ausbeutung der Ware Arbeitskraft selbst gar nicht relevant findet, sondern die Repräsentation per Geschlecht einfordert? Nach dem Motto: „Weil Frauen die besseren Multitasker*innen in den oberen Etagen sind, können sie besser mit Menschen umgehen“

 

Es fällt auf: Es wird ein Weiblichkeitsbild reproduziert, und zwar gerade in Argumentationen für gesellschaftliche Teilhabe, z.B. in Spitzenpositionen. Selbstverständlich ist es richtig und wichtig, dass Frauen an der Gesellschaft als freie Individuen partizipieren können. Ob in Unis, auf der Arbeit, in Parlamenten, in den Vorstandsetagen, kurz: in der Gesellschaft und ihrem öffentlichen Raum ist gegen eine größtmögliche Partizipation von Frauen nichts einzuwenden. Aber löst uns das von der sachlichen und objektivierenden Herrschaft der Dinge, die wir selbst tagtäglich produzieren und reproduzieren? Das tut es nicht. Und selbst wenn der bürgerliche Staat mehrere Geschlechter zuließe und die Gleichstellung aller temporärer Liebens-, Leidens- und Wohnformen zulässt, wird als „normale Familie“ immer noch das Schema Vater, Mutter, Kinder festgeschrieben, das als Kern der gesellschaftlichen Gesamtreproduktion auch ideologisch vermittelt ist. Die Gesellschaftlichkeit der Geschlechterkonstruktion muss daher unserer Meinung nach auch in den Verhältnissen selbst gesucht werden, die als kapitalistische Totalität das Patriarchat modifizieren und insofern auch als warenförmiges Patriarchat bestimmen.

Gesamtverhältnis von Patriarchat und Kapitalismus

Wie ist jedoch ein materialistischer Feminismus zu denken, der die materiellen Produktions- und Reproduktionsbedingungen in den Krisenprozessen des Kapitalismus kritisieren kann? Das Patriarchat als historisch spezifisches zu bestimmen, also als warenförmiges Patriarchat, ist für uns die Ausgangslage, um den geschlechtsspezifischen Herrschafts- und Dominanzverhältnissen auf die Spur zu kommen. Das warenförmige Patriarchat basiert auf einer gesellschaftlich-geschlechtlich gedachten Teilung der Produktion und Reproduktion. Diese vermeintliche Teilung wurde gesellschaftlich hergestellt und ist damit ein Konstrukt, das jedoch im Denken und Handeln der Menschen präsent und wirkmächtig ist. Für uns ist die Herrschaft der Väter – das Patriarchat – keine natürliche und schon immer gegebene Geschichte der Geschlechterverhältnisse. Das im zuweilen zotigen Geschlechterkampf gern als Argument für natürliche Differenzen bemühte Bild, Männer seien Jäger und Frauen Sammler, daher hätten sie andere Denk und Arbeitsweisen, macht deutlich, dass nicht nur der geldvermittelte Tausch naturalisiert wird, sondern auch die geschlechtliche Arbeitsteilung eine scheinbare Natürlichkeit behaupten kann. Zudem wird die Reproduktion von der Produktion abgespalten. Wir beziehen uns an dieser Stelle auf Roswitha Scholz (Exit), die die Grundzüge einer wertkritischen Abspaltungstheorie entwickelt hat. Die Wertabspaltung impliziert ein spezifisches, symbolisch kulturelles und sozialpsychologisches geschlechtliches Verhältnis, das durch die kapitalistische Gesellschaft eine besondere Form annimmt. Dabei werden gesellschaftlich minderbewertete Eigenschaften wie z.B. Sinnlichkeit, Emotionalität, Schwäche und Ähnliches Frauen zugeschrieben und vom männlichen kapitalistischen Konkurrenzsubjekt, das als stark, rational etc. verstanden wird, abgespalten. Es stellt sich für uns jedoch nicht die Frage, ob das Kapital oder das Patriarchat zuerst federführend für die gesellschaftliche Entwicklung wurde. Das Eine kann nicht ohne das Andere existieren. Oder anders formuliert: Kapitalismus und Patriarchat sind dialektisch vermittelt. Ihre Aufspaltung ist Resultat der fetischisierten Vorstellung des gesellschaftlichen Tauschs und der stofflichen Eigenschaften (Inhalt, Natur), die nicht in der Form (Wert) der abstrakten Arbeit aufgehen. Das sind schlichtweg alle Arbeiten, die nicht bezahlt werden und die Grundvoraussetzungen für die kapitalistische Produktion überhaupt erst herstellen – die Reproduktion.

 

Gerade die vermeintliche Naturhaftigkeit der Geschlechterverhältnisse wurde im Rahmen des gesellschaftlichen Prozesses der Aufklärung zementiert. Denn das vernunftbegabte Subjekt, das Kant und Konsorten vorsahen, war dezidiert männlich. Frauen galten als nicht vernunftfähig und konnten demnach auch keinen Subjektstatus erlangen. Die Überhöhung der Vernunft und die aufklärerische Maxime führten zu Prozessen zunehmender Naturbeherrschung. Der Mann wurde als Held und als werktätig gedacht. Die Frau, die nicht erst im Rahmen der frühen Neuzeit unter der Hexenverfolgung als Naturwesen gedacht wurde, erschien als das Gegenteil des Männlichen, jedoch trotzdem in einer Relation zum Mann stehend: Sie gefährde die Selbstkontrolle der Triebe, verleite zur unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung, gefährde Gesellschaften und stehe mit bösen Naturwesen in Verbindung. Die männliche Rationalität impliziert dabei einen Vernunftbegriff, der die innere und äußere Unterwerfung der Natur vorsieht. Dementsprechend kann auch die protestantische Ethik als gesellschaftliches Programm zur Domestizierung der Frau angesehen werden. Das weltliche Heil sei dabei in einer spezifischen Moral begründet, der sich die Frau zu fügen habe. Aufklärer wie Rousseau naturalisierten Frauen nicht nur in Bezug auf ihre vermeintliche biologische Funktion, sondern inkludierten auch die „häuslichen Aufgaben“ in der Art, dass die emotionale Stütze der männlichen Vernunft das Zuhause sei. Das emotionale Wohlbefinden sollte jetzt Zuhause und in der Familie wieder hergestellt werden, wofür die Frau zuständig sein sollte. Mit der strikteren Trennung der Arbeitsbereiche im Zuge der Aufklärung und der Entfaltung des Kapitalismus wurde auch das Patriarchat in seiner Trennung der öffentlichen und privaten Sphäre strikter, wobei sich die Sphärentrennung schon im Rahmen früherer Gesellschaftsformen entwickelte. So war im antiken Griechenland die polis, also der Stadtstaat, darauf ausgerichtet ihrem Welthandel eine juristische öffentliche Form zu geben und zeitgleich Frauen auszuschließen, z.B. von der Partizipation an dem politischen System der Demokratie. Somit war auch in der antiken Metropole die Privatheit eine zugeschrieben weibliche Sphäre. Jenseits der Metropolen Athen, Korinth u. a. konnte von dieser Teilung keine Rede sein. Denn die agrarischen Strukturen auf dem Land erlaubten den Frauen überhaupt keine strikte Trennung zwischen öffentlicher und privater Sphäre. Zu sehr war das Leben an temporäre und meteorologische Gegebenheiten der Produktion und Reproduktion gebunden. Außerdem waren die Familienverhältnisse nicht mit denen der klassisch patriarchalen Familie vergleichbar: Als Sippe und Produktionsgemeinschaft organisierte die Minigesellschaft ihr (Über-)Leben im familiären Verbund. Hier spielen selbstverständlich auch Klassenunterschiede eine zentrale Rolle. Die strikte Trennung von öffentlicher und privater Sphäre mag zwar in vielen Köpfen noch vorhanden sein, aber gesamtgesellschaftlich hat sich dank der Frauenbewegungen und dem prozesshaften Charakter der Kapitals und seiner Krisen Einiges verändert. Religiöse und (vermeintlich) kulturelle Vorstellungen über Frauen, sowie der kapitalistische Verwertungsimperativ überlagern heutzutage unterschiedliche Rollenbilder, Zuschreibungen und sogenannte Identitäten. Die Wertabspaltung umfasst jedoch mehr als die Trennung von Öffentlich und Privat, sondern bezieht sich auf alle Bereiche, die der geschlechtlichen Zuschreibung und sonstigen Vermittlungsweisen der Gesellschaft unterstehen.

Care, Reproduktion und Krise:

Die jungle World-Diskussion um Care-Arbeiten und Feminismus im Rahmen des 8.März 2014 ist keine neue Debatte: Reproduktion und reproduktive Arbeiten, wie es in den 1970ern hieß, waren Thema vieler Diskussionen in feministischen Kreisen der vergangenen Jahrzehnte. Ein überwiegend großer Teil sah dabei die Möglichkeit, über die Lohnarbeit aus dem reproduktiven Joch der familiären und fremdbestimmten Hölle auszubrechen, und wenn es nur für ein paar Stunden am Tag war. Mit einem eigenen Lohn sind Frauen unabhängiger und gewinnen an Autonomie gegenüber dem Mann und seiner Unterdrückung. Der Operaismus, eine undogmatische marxistische Bewegung und Theoriekonzeption aus Italien und den frühen 60er Jahren setzte sich in besonderer Weise mit der Lohnarbeit und ihrer möglichen Überwindung auseinander. Mit „militanten Untersuchungen“ gewannen sie ein Wissen über Entfremdungsprozesse und Gegenstrategien zur Lohnarbeit. Der feministische Flügel der Operaist*innen wie Silvia Federici initiierte eine Kampagne, die dazu führen sollte, dem Kapital Lohn für Reproduktionsarbeiten abzuverlangen. Einerseits sollte ein Bewusstsein für die Reproduktionsarbeiten geschaffen (Reproduktion erschafft für das Kapital die wichtigste Voraussetzung: neue Arbeitskräfte) und andererseits ein antikapitalistisches Moment installiert werden. Die Strategie der bezahlten Haus-, Sorge- und Pflegearbeiten hat zwar die Reproduktion in das politische Bewusstsein der Zeit gebracht, jedoch scheiterte diese Forderung an der patriarchalen Struktur kapitalistischer Ausbeutung und Ideologie.

 

Die heutigen Kämpfe um Care-Arbeiten und Reproduktion stehen vor neuen Herausforderungen und sind zwar nicht ausschließlich Kämpfe von Frauen, betreffen sie aber in besonderem Maße. Die Bedeutung sogenannter soft skills und eine emotionale Kompetenz sind für eine erfolgreiche Kapitalakkumulation heute unumgänglich. Nicht nur fachliche Kompetenzen, sondern das ganze Individuum mit allen vermeintlich weiblichen Attributen wie z.B. soziale und emotionale Kompetenzen soll dem kapitalistischen Verwertungsprozess zur Verfügung stehen. Der neoliberale Flexibilisierungsprozess aller Lebensbereiche in den westlichen Industrienationen macht deutlich, dass die „doppelte Vergesellschaftung“ von Frauen keinen Fluchtpunkt der Befreiung darstellt, sondern dass der Verwertungsimperativ in die Privatheit eindringt. Oder anders formuliert: Aufgaben der Sorge, Pflege und Emotionen werden jetzt zunehmend marktförmig organisiert. Auch an dem Frauenbild der heutigen Gesellschaft lässt sich erkennen, dass die Frau zwar einerseits immer noch dem gesellschaftlichen Diktat des schön, schlank, sexy unterworfen ist, zusätzlich aber auch in allen Bereichen „ihren Mann“ stehen muss. Diese Konkurrenzqualität für den Weltmarkt zu erlangen beinhaltet eine bestimmte Härte sich und anderen gegenüber auszubilden, sowie eine latente Disziplinierung und Selbstdisziplinierung. Gleichzeitig haben sich vermeintlich weibliche Attribute und Arbeitsweisen in der Produktion und im Dienstleistungssektor als enorm profitabel erwiesen. Kurzum: Die weibliche Arbeitskraft gilt als anerkannte Humanressource in der Volkswirtschaft. Und als solche erkannt darf sie nicht ungenutzt in der Küche vergammeln. Besonders schlimm finden die Ausbeutungsoptimierer*innen der VWL, wenn gut ausgebildete Frauen durch Schwangerschaft ihre Humanressource verschwenden, weil sie sich für Das Aufziehen der Kinder entschieden haben. Die Rechnung funktioniert in etwa so: Wenn eine Frau z.B. 6 Monate nach ihrem Abschluss oder nach einer Geburt nicht Lohnarbeiten geht, verliert sie 30 bis 40 % ihres Humankapitals, dass sich in Form eines zukünftigen Lohnes ausdrückt. Auch die Tatsache der Schwangerschaft wird als Vertilitätsrisiko finanziell quantifiziert. Daher auch das große politische Interesse daran, die lieben Kleinen so schnell es geht in die Kitas, Ganztagschulen usw. zu verfrachten. Frauen, die einen gut bezahlten Job ergattern konnten, können sich durch ausreichende finanzielle Mittel von dem leidigen Putzen etc. frei kaufen. Doch dieses Freikaufen von Reproduktionsarbeiten geht zu Lasten zumeist nicht weißer illegalisierter Migrant*innen und Geflüchteten. Beschissen bezahlt arbeiten die Carearbeiter*innen, um ihre Familien Zuhause zu unterstützen. Einige feministische Theoretiker*innen sprechen sogar von einer Reproduktionslücke in westlichen Gesellschaften, die durch den Konsum migrantischer Arbeitskraft geschlossen werden soll.

 

Diese globale Dimension der Ausbeutung der Care-Arbeiter*innen gefährdet jedoch die gesellschaftlichen Strukturen in der Peripherie, weil ihre Arbeitskraft in der Reproduktion und Produktion fehlt. Zudem kann die Arbeitsflucht von Frauen aus historischer Perspektive als ungewöhnliche Praxis betrachtet werden, wurden sie doch häufig dazu erzogen, ihre vermeintliche Funktion der Sorge und Pflege von Kindern und Älteren wahrzunehmen. Diese Prozesse werfen ein schlechtes Licht auf den Zustand des Individuums in den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen. Gleichzeitig hat die umfassende Weltmarktkonkurrenz eine Neuordnung des Kommandos über die Arbeit vorgenommen und Millionen Menschen die Verfügung über Subsistenzmittel, Boden und Wasserversorgung entrissen. Dieser Prozess wird im Rahmen der neuen Herrschafts- und Dominanzverhältnisse des Kapitals als erneute ursprüngliche Akkumulation betrachtet: Eine neue Form sich ausdehnender Kapitalexpansion mit dem Ziel, Lohnarbeiter*innen auch in dem letzten Winkel der Erde zu produzieren und alle Gesellschaften nach kapitalistischem Verwertungsinteresse herzurichten. Dass dieser Prozess ein gewaltsamer und blutiger ist, der neben automatischen Maschinengewehren und Gesetzen auch Hunger und Durst als Waffen einsetzt, sei hier nur kurz erwähnt. Auch auf dieses Thema können wir hier leider nur ein kurzes Schlaglicht werfen, halten aber die neue ursprüngliche Akkumulation und ihre Landnahme, Privatisierung der Wasserversorgung und Zurichtung neuer Arbeiter*innen und daraus folgend Flucht, Vertreibung und das europäisches Grenzregime für zentrale Auseinandersetzungen unserer Zeit.

 

Aber zurück zu den hiesigen Verhältnissen. Die doppelte Vergesellschaftung der Frau – Lohnarbeit und Reproduktion – hat weiterhin nicht dazu geführt, dass Frauen auch die gleichen Löhne erhalten. Ganz im Gegenteil: Nach Untersuchungen des Statistischen Bundesamtes erhielten Frauen 2013 im Durchschnitt 22% weniger Lohn als Männer. Sie sind jedoch nach EUROSTAT mit 22,4% häufiger von Armut betroffen. Die Zahlen des neuesten Armutsberichts des Deutschen Instituts zur Wirtschaftsforschung (DIW) dürften diese Zahlen bestätigen. Von Armut sind vor allem alleinstehende Frauen mit Kindern betroffen. Der strikte Sparkurs der öffentlichen Haushalte, die Agenda 2010, sowie die Kommodifizierung von Care-Arbeit haben nach Julia Dück (in der Prokla Nr. 174, Materialistischer Feminismus, März 2014) zu einer Gefährdung öffentlicher Daseinsfürsorge geführt. Die Kommodifizierung von Care-Arbeiten – also die Integration und Organisation von Sorge- und Pflegearbeiten – in die allgemeine kapitalistische Konkurrenzordnung birgt zentrale Krisenmomente für die Reproduktion. Die Effizienzlogik der Produktion soll hier auf Arbeiten angewendet werden, die per se nicht auf diese angewendet werden können, zumindest nicht langfristig. Der menschliche Körper ist seiner gesellschaftlichen Form nach vor allem Arbeitskraftbehälter und als solcher wird er angewendet. Geht dieser kaputt, dann muss er wieder hergestellt oder umsorgt werden. Dies ist die zentrale Funktion von Krankenhäusern, Pflegediensten und anderen Institutionen des Gesundheitswesens. Doch die Herstellung von Gesundheit entzieht sich der kapitalistischen Zeitsparlogik und setzt seine eigene Logik ins Recht – die Zeitverausgabungslogik (vgl. Frigga Haug). Die Kommodifizierung versucht aber gerade aus Krankenhäusern profitable Unternehmen zu machen und reglementiert Zeitabläufe und Pflegezeiten. Anders als in vielen gesellschaftlichen Bereichen führen ungenügende Pflege, Operationsfehler und mehr unweigerlich zu einer Reaktion der Patient*innen. Blutige Entlassungen oder Todesfälle sind im schlimmsten Fall die Folge. Aus Sicht der Pfleger*innen haben sie zunehmend weniger Zeit sich um die unterschiedlichen Bedürfnisse der Patient*innen zu kümmern, die inzwischen von Patient*innen zu Kunden mutiert sind. Diesen Aspekt der Kommodifizierung haben wir schon in der letzten redical Times „Diagnose Kapitalismus“ ausführlich besprochen. Die Tatsache, dass Care-Arbeiten zunehmend schlechter bezahlt werden und vor allem Frauen betreffen, lässt hier ein relativ neues gesellschaftliches Konfliktfeld entstehen. Die Perspektiven und unterschiedlichen analytischen und praktischen Ansätze wurden kürzlich in Berlin auf dem Care-Revolution Aktionskongress diskutiert. Ein anderer Punkt, der einen kapitalimmanenten Widerspruch aufzeigt, ist das Verhältnis von Care-Arbeiten, der Reproduktion der Arbeitskraft und staatlichen und halbstaatlichen Transfers.

 

Wenn z.B. ein Krankenhaus als privates Unternehmen organisiert wird, sind die Gelder und der Profit immer noch staatlich vermittelt. Zwar mag das Unternehmen einen Profit einstreichen, es handelt sich jedoch nicht um produktive Arbeit im marxschen Sinne: Aus gesamtkapitalistischer Perspektive handelt es sich um eine Umverteilung aus den bestehenden Einkommen. Da jedoch das Risiko einer Krankheit nicht von vornherein allgemein und finanziell quantifiziert werden kann, verteilt der Staat bzw. Institutionen des Staates in Form von Kranken- Sozial- und Pflegeversicherungen das Risiko so, dass sie von einer Mehrheit getragen werden können. Dafür werden ein kleiner Anteil von Arbeitgeber*innen, sowie ein größerer Anteil von Arbeiter*innen in einen Solidarfonds eingezahlt. Die Kosten, die anfallen könnten (z.B. schwierige Operationen), wenn Gesundheit ausschließlich der Privatwirtschaft überantwortet würde, würden die Geldmittel der meisten Menschen schnell übersteigen. Aber sobald staatliche Gelder, Subventionen etc. in den Kapitalkreislauf eingreifen, wird unproduktive Arbeit (im Sinne von nicht wertbildend) geleistet. Das bedeutet, dass der Staat Geldmittel aus wertschöpfenden Unternehmen abzweigen und in den Care-Bereich umleiten muss. Denn sobald der Staat die Finger im Spiel hat, handelt es sich (bis auf ganz wenige Ausnahmen) um Nebenkosten des Kapitals. Halten wir also fest: Aus Sicht des Einzelkapitals macht die Privatisierung von Care-Arbeit nur auf kurze Sicht Sinn, wenn sie die Care-Arbeiter*innen maximal ausbeutet und dadurch keine großen Pflegefehler entstehen, die ihre Konkurrenzfähigkeit nachhaltig beeinträchtigen. Care-Arbeiten sind ein notwendiger Bestandteil der gesamtgesellschaftlichen Reproduktion. Aus Sicht des Gesamtkapitals ist Care-Arbeit unproduktiv, weil der Staat oder für ihn übernehmende Institutionen dazwischen geschaltet sind: Sie sind Nebenkosten des Kapitals.

 

Wenn die ohnehin schon permanent schwelende Überakkumulations-, Staatsschulden-, Euro-, und/oder Verwertungskrise nicht nur in Griechenland ihr potentielles Ausmaß offenlegen würde, dann wäre auch hier für viele emanzipatorische Linke mehr als klar, dass die Frage der Care-Arbeit und ihrer Neuorganisation nicht auf den Kommunismus hinausgeschoben werden kann, sondern unmittelbar als Krisensymptom einerseits und Notwendigkeit andererseits begriffen werden muss. Daher ist für uns die Care-Debatte nicht nur theoretisch spannend, sondern auch ein strategischer Knackpunkt der Erkenntnis aus der Krise.

Chabbos*as wissen, wer die Mama ist – Die Verhältnisse vom Kopf auf die Füße stellen!

Wir haben in diesem Artikel versucht Schlaglichter auf die Ansichten von Marx, Engels und Anderen zu der gesellschaftlichen Institution der Familie und der Emanzipation der Frauen, den Verlauf der Frauenbewegung und ihre Wellen, ihre politischen und theoretischen Hauptströmungen, die Wertabspaltung, Care-Arbeiten und das gesellschaftlichen Phänomen der Krise in diesem Kontext zu werfen. Wir halten nach wie vor an der Vorstellung apersonaler Herrschaftsverhältnisse fest. Das heißt für uns aber nicht, dass das apersonale Schweinesystem keine Schweine hat, die auch in konkreten Politiken und Entscheidungen identifizierbar sind. Gerade in dem Bereich der administrativen Verwaltung wie z.B. den Ausländerbehörden ist es auch Wille und ein hoher Grad der Identifikation mit dem Job, der die Menschen zu dem autoritären Charakter macht, der sie sind; und der, wie wir fürchten, komplett geschlechtsunabhängig ist. Generell kann festgehalten werden, dass heute sowohl Männer als auch Frauen den Arbeitsfetischismus als tautologischen Selbstzweck verfolgen. Im latenten Rackern in der Verwertungsmühle wird alles an Empathiefähigkeit geopfert und abtrainiert, sodass die Gewalt, die man sich selbst antut, notwendigerweise zurückschlägt. Und auch der bürgerliche Staat mischt mit seinen Bevölkerungspolitiken eifrig mit, um nach Möglichkeit nur verwertbaren Nachwuchs zu züchten. Insofern wäre hier die Frage eines antinationalen materialistischen Feminismus zentral, der diese Mechanismen und Formen aufgreifen und adäquat kritisieren kann. Mit dem Optimierungsgedanken der Konkurrenzverhältnisse im Kopf wurden unterschiedlichste Normvorstellungen installiert, von der nur sehr wenige abweichen können bzw. den Mut dazu haben. Alle Anderen geraten unter Druck. Sie fragen sich, wie ihr Körper auszusehen hat, wieviel sie Essen dürfen, welche Konsumgüter „in“ sind, welche Mode, welche Identität. „Scheiß drauf!“ sagen die Wenigsten und wenn sie ehrlich wären leben nicht einmal die radikalsten Kritiker*innen der Verhältnisse konsequent danach. Das ist die Totalität des Kapitalismus und damit auch des warenförmigen Patriarchats, aus der es in dieser Gesellschaftsform kein Entkommen gibt. Auch die Produktivkraft und die technischen Errungenschaften werden uns von diesem Joch nicht befreien können, solange nicht menschliche Bedürfnisse der Ausgangspunkt der gesellschaftlichen Produktion und Reproduktion sind. Wir selbst, Männer und Frauen, „sind das Patriarchat, daher ist der feministische Kampf aller Geschlechter notwendig jenseits des Fetischismus und seiner geschlechtsspezifischen Zuschreibungen.“ (vgl. Scholz, Roswitha) Es gilt daher in einer revolutionären Transformationsbewegung „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen“ ist. Diesen Kategorischen Imperativ gilt es auf jegliche Emanzipationsbestrebungen anzuwenden. Es ist diese unsere Zielvorgabe, die noch erweitert werden muss um: „Eine emanzipierte Gesellschaft jedoch wäre kein Einheitsstaat, sondern die Verwirklichung des Allgemeinen in der Versöhnung der Differenzen. Politik, der es darum im Ernst noch ginge, sollte deswegen die abstrakte Gleichheit der Menschen nicht einmal als Idee propagieren. Sie sollte stattdessen auf die schlechte Gleichheit heute, die Identität der Film- mit den Waffeninteressen deuten, den besseren Zustand aber denken als den, in dem man ohne Angst verschieden sein kann.“ (Adorno, Theodor W, Minima Moralia, 1951). Wir sehen die Emanzipation der Gesellschaft als ein Projekt aller …

Agender (Menschen ohne Geschlecht), Androgyne, Bigender, FTM, Gender Fluid, Gender Variant, Intersex, Neither, Non-binary, Other, Trans, Trans*Man, Trans*Woman, Two-spirit

… und aller, die wir vergessen haben! Schlicht: Aller Menschen.

 

Für den Feminismus! Für den Kommunismus!

 

Literaturangaben und Tipps zum Vertiefen:

 

Marx, Karl und Engels, Friedrich Werke: Band 3 [1845– 1846]. Berlin: Dietz, 1990.

Marx, Karl und Engels, Friedrich Werke: Band 21 [Mai 1883 bis Dezember 1889]. Berlin: Dietz, 1984

Adorno, Theodor W, Minima Moralia – Reflexionen aus dem beschädigten Leben, Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag, 1951.

Trumann, Andrea, Feministische Theorie – Frauenbewegung und weibliche Subjektbildung im Spätkapitalismus, Stuttgart, Schmetterling Verlag, 2002.

redical Times, „Diagnose Kapitalismus – die Verhältnisse überleben“ Dezember 2012

Scholz, Roswitha, Das Geschlecht des Kapitalismus – Feministische Theorien und die postmoderne Metamorphose des Kapitals, Bonn, Horleman, 2000.

Scholz, Roswitha: Der Wert ist der Mann. Thesen zu Wertvergesellschaftung und Geschlechterverhältnis. In: Krisis 12, (1992) S. 19 – 52f.

Federici, Silvia, Aufstand aus der Küche – Reproduktionsarbeit im globalen Kapitalismus und die unvollendete feministische Revolution, Münster, 2012.

Dück, Julia, Krise und Geschlecht – Einige Überlegungen zu einem feministisch materialistischen Krisenverständnis, In: Prokla 174 (März 2014) „Materialistischer Femiminismus“, Berlin, 2014.